Bereits auf dem Wohnungsbau-Tag im April 2024 in Berlin hatte Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher auf die absurde Situation hingewiesen, dass von den 4.000 DIN-Normen nur 20 Prozent als gesetzlicher Mindeststandard festgeschrieben seien. Nun hat die Hamburger „Initiative kostenreduziertes Bauen“ den „Hamburg-Standard“ vorgelegt. Rund 300 Fachleute haben Normen und Vorschriften auf ein pragmatisches Maß reduziert und stellen fest, dass sich im Wohnungsbau bis zu 2.000 Euro pro Quadratmeter einsparen lassen, ohne die Wohnqualität zu gefährden. Das geht durch angepasste Standards in Baukonstruktion und Gebäudetechnik, die Optimierung von Prozessen und Verfahren, eine effizientere Planung und den Verzicht auf besonders teure Bauteile wie Tiefgaragen.
Schleswig-Holstein baut Sozialwohnungen seit Jahren nach den einfachen Grundsätzen, die der Bund mit dem Gesetz für den Gebäudetyp E zukünftig einführen will. Die praktischen Ergebnisse sind verblüffend. Die reinen Baukosten bei Sozialwohnungen lassen sich um bis zu einem Drittel senken. Unterm Strich würde die bisherige vom Staat gezahlte Fördersumme von gut 3.200 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche sogar ausreichen, um damit den Bau von Sozialwohnungen komplett zu finanzieren (Bericht in Ihrer Printausgabe auf Seite 10 oder online).
Im Mai 2024 kündigten fünf Bausenatorinnen und Bauminister auf dem ersten norddeutschen Wohngipfel in Hannover weitreichende Erleichterungen im Baurecht an. Die Runde war sich einig, dass sich die Baukosten um ein Drittel senken lassen. In allen fünf Landesbauordnungen soll der Gebäudetyp E verankert werden. Die Entrümpelung der Bauvorschriften durch die einzelnen Bauministerien scheint ohnehin deutlich vorangeschritten. So betonten Schleswig-Holsteins Bauministerin Sabine Sütterlin-Waack und ihr Ressortkollege Christian Pegel aus Mecklenburg-Vorpommern, dass in ihren Ländern die dreimonatige Genehmigungsfiktion eingeführt sei, um die Arbeit von Bauämtern zu beschleunigen. Hier gelte der Grundsatz: Genehmigt ist alles, was das Bauamt nicht innerhalb von drei Monaten ablehnt.
Den Parteien, die jetzt die programmatischen Grundlagen für die neue Bundesregierung aushandeln, muss in Sachen Wohnungsbau klargemacht werden: Weniger ist mehr. Wir brauchen keine neuen Vorschriften; wir brauchen auch nicht mehr Fördergelder. Notwendig ist ein Mentalitätswandel, ein zupackender Pragmatismus und der Abschied von überzogenen Qualitätserwartungen. Es ist mehr eine kulturelle, denn eine technische Herausforderung.
Der neue Hamburg-Standard der „Initiative Kostenreduziertes Bauen“ ist das Ergebnis dieser konsensualen Kultur und Kommunikation. Rund 300 Fachleute aus Bauwirtschaft, Architektur, Wohnungswirtschaft und Verwaltung haben sich darin ein Jahr geübt. So kann es gelingen, unsere Erstarrung durch Perfektionismus und Pedanterie zu überwinden.
>> IVV-Artikel: Hamburg mistet aus
Thomas Engelbrecht


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