Baugenehmigungen sind 2022 um fast sieben Prozent eingebrochen
Im Jahr 2022 wurde in Deutschland der Bau von 354.400 Wohnungen genehmigt. Wie das Statistische Bundesamt nach vorläufigen Ergebnissen mitteilt, waren das 6,9 Prozent oder 26.300 Wohnungen weniger als im Jahr 2021, als mit 380.700 Baugenehmigungen der höchste Wert seit dem Jahr 1999 erreicht worden war. Niedriger als im Jahr 2022 war die Zahl der Baugenehmigungen zuletzt 2018. Zum Rückgang der Bauvorhaben im Jahr 2022 beigetragen hätten vor allem Materialmangel und hohe Kosten für Baumaterialien, Fachkräftemangel am Bau und zunehmend schlechtere Finanzierungsbedingungen.
GdW: „Bezahlbares Wohnen bleibt Mangelware“
Angesichts dieser Entwicklung wird „das bezahlbare Wohnen in Deutschland Mangelware bleiben“, so die Einschätzung von Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW. Mittelfristig würden nur etwa 200.000 Wohnungen pro Jahr entstehen können, wenn sich nicht schnell etwas ändert. Die Bundesregierung hatte 2021 das Ziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr ausgegeben. Inzwischen hatte aber auch Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) eingeräumt, dass dieses Ziel unter den derzeitigen Rahmenbedingungen nicht zu erreichen sei.
GdW-Chef Gedaschko wies erneut auf das „Förderchaos“ der Regierung hin. Bauwillige hätten keinerlei Planungssicherheit mehr. Neubauvorhaben würden deshalb reihenweise eingestellt. Das belege der sich verschärfende Sinkflug der Baugenehmigungen im zweiten Halbjahr 2022, insbesondere bei Mehrfamilienhäusern. Im Dezember seien 19,3 Prozent weniger Einheiten im Geschosswohnungsbau genehmigt worden als im Vorjahresmonat.
BFW: „Eine Katastrophe mit Ansage“
Mit Sorge blickt auch der BFW Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen auf die sinkenden Baugenehmigungszahlen. „Diese Katastrophe mit Ansage hätte vermieden werden können. Die Lage am Wohnungsmarkt gerät leider immer weiter ins Rutschen und sie wird sich mit den angekündigten Maßnahmen der Bundesregierung weiter beschleunigen. Jetzt wird der Markt, der ohnehin darniederliegt, nochmals abgewürgt mit weiteren Verschärfungen, die die GEG-Novelle vorsieht“, erklärte BFW-Präsident Dirk Salewski in Berlin.
Was nach Meinung der Branchenverbände helfen kann
Der GdW fordert: Die Regierung müsse den bezahlbaren Wohnungsbau endlich angemessen fördern. Für die Neubauförderung stehen seit dem 1. März 750 Millionen Euro für Gebäude der höchsten Energieeffizienzklasse zur Verfügung. Diese Summe gilt in der Immobilienwirtschaft als „Tropfen auf den heißen Stein“. Als wirksame Förderung werden zehn Milliarden Euro an Fördervolumen erachtet.
Der Bundesvorsitzende der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt, Robert Feiger, verlangt einen „Bau-Wumms“ von Bund und Ländern. Allein der soziale Wohnungsbau brauche in einem ersten Schritt dringend einen Fördertopf von 50 Milliarden Euro bis zum Jahr 2025. „Wenn der Staat den Wohnungsbau jetzt im Stich lässt, wird es enorm lange dauern, bis er wieder auf die Beine kommt“, fürchtet der IG-Bau-Chef.
Bundesbauministerin lehnt weiteren Hilfen ab
Bundesbauministerin Geywitz reagierte auf die Kritik mit den Worten: „Von einem kompletten Baustopp kann keine Rede sein.“ Und sie verweist auf den in den letzten Jahren wachsenden Bauüberhang, also die Lücke zwischen genehmigten, aber nicht gebauten Wohnungen. Auch im Jahr 2022 seien mehr neue Wohnungen genehmigt worden, als 2021 fertiggestellt worden seien.
Deutlicher wird die Bundesbauministerin in einem Interview mit dem Stern. Trotz des Einbruchs beim Bau neuer Wohnungen lehnt Geywitz zusätzliche staatliche Mittel für den Wohnungsbau ab. "Mehr Geld hilft nicht mehr", sagt sie im Stern-Interview. "Mehr Geld und supergünstige Konditionen haben in den vergangenen Jahren nicht mehr Wohnungen auf den Markt gebracht, aber dafür die Baupreise erhöht", sagte sie weiter. Zugleich kritisierte sie die bisherigen Förderprogramme als wenig gezielt: "Die üppige Förderung aus Steuergeldern kam sicher seltener bei den Mietern und öfter bei den Firmen als erquickliche Marge an." Es sei alles subventioniert worden – von der Garage bis zum Mini-Loft für 30 Euro pro Quadratmeter. "So etwas fördere ich als Sozialdemokratin nicht."
Baukomponenten um bis zu 50 Prozent im Preis gestiegen
Ganz von der Hand zu weisen ist die Argumentation der Ministerin nicht. Denn mehr Fördergeld erhöht die Nachfrage; eine steigende Nachfrage führt zu höheren Preisen. Eine weitere Teuerung kann sich jedoch im Grunde niemand leisten, angesichts der seit Anfang 2022 angeheizten Inflation. Wie das Statistische Bundesamt mitteilt, waren nahezu alle Baumaterialien im Jahresdurchschnitt 2022 noch einmal deutlich teurer als im Vorjahr, als es bereits hohe Preissteigerungen gegeben habe. Preistreibend auf den Baustellen wirkten sich vor allem die gestiegenen Energiepreise aus. So verteuerten sich besonders Baustoffe wie Stahl, Stahlerzeugnisse oder Glas, die energieintensiv hergestellt werden. Die Teuerungsrate bei Stahl bewegte sich 2022 je nach Produkt zwischen 32 und 40 Prozent. Metalle insgesamt waren 2022 um 26,5 Prozent teurer als im Vorjahr. Flachglas, was üblicherweise für Fenster, Glastüren oder -wände verwendet wird, verteuerte sich 2022 um 49,3 Prozent im Vergleich zum Jahresdurchschnitt 2021. Ohne Berücksichtigung der Energiepreise waren die Erzeugerpreise 14,0 Prozent höher als im Jahresdurchschnitt 2021. (Red.)