Potenzial der WEG-Reform bleibt ungenutzt
Zwar räume das seit Dezember 2020 geltende Wohnungseigentumsgesetz jedem Wohnungseigentümer das Recht auf Einbau einer E-Ladestation ein. Doch da entsprechende Beschlüsse pandemiebedingt nicht gefasst werden könnten, komme der Ausbau der Ladeinfrastruktur bei den etwa vier Millionen Stellplätzen in Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG) nicht voran.
Nach Ansicht des VDIV würde das entsprechende KfW-Förderprogramm von mittlerweile 400 Millionen Euro komplett am Wohnungseigentümer vorbeilaufen. Der Förderzuschuss von 900 Euro pro Ladesäule bliebe Wohnungseigentümern verwehrt.
Entscheidungsgrundlagen fehlen - Umsetzungsstau für Baumaßnahmen droht
Da nicht absehbar ist, wann die Covid-19-Pandemie überstanden ist, muss aufgrund der Dringlichkeit vieler Beschlussfassungen eine neue gesetzliche Regelung zum Abhalten von Eigentümerversammlungen her.
Zwar sieht der neue § 23 Abs. 1 Satz WEG mit der eingeführten Online-Teilnahme an (Präsenz-)Versammlungen bereits eine kleine Flexibilisierung für die Durchführung von Wohnungseigentümerversammlungen vor. Auch die Gestattung von Umlaufbeschlüssen in Textform in § 23 Abs. 3 WEG hilft.
„Doch diese beiden Erleichterungen sind nicht ausreichend. Denn sie setzen zunächst das Abhalten von Präsenz-Eigentümerversammlungen voraus – die seit Monaten aber unterbleiben. Deshalb müssen für das laufende Jahr die jetzigen Regelungen für das Abhalten von Eigentümerversammlungen auf den Prüfstand gestellt werden. Was übergangsweise für Aktionärsversammlungen und Vereine gilt, sollte auch für WEG-Versammlungen möglich sein”, erläutert VDIV-Deutschland-Geschäftsführer Martin Kaßler.
Der VDIV Deutschland fordert daher von der Bundesregierung drei Maßnahmen:
1. Reine Online-Eigentümerversammlungen sollten umgehend ermöglicht werden. Denn es ist absolut nicht nachvollziehbar, wieso im Rahmen der Notfallgesetzgebung gesetzliche Regelungen zur Durchführung von Online-Versammlungen im Aktien- und Vereinsrecht in Artikel 2, § 5 des Abmilderungsgesetzes geschaffen wurden, für Wohnungseigentümergemeinschaften diese wichtige rechtliche Grundlage jedoch fehlt.
2. Nachdem nun § 23 Abs. 3 WEG für einzelne Beschlussgegenstände eine einfache Mehrheit vorsieht, sollte das Einstimmigkeitserfordernis für Umlaufbeschlüsse aufgehoben und hier stattdessen eine Zwei-Drittel-Mehrheit für jeden Beschlussgegenstand verankert werden, um wirksame und schnelle Willensbildung zu ermöglichen.
3. Um virtuelle Eigentümerversammlungen rechtssicher nutzen zu können, sollte die Geltendmachung von Nichtigkeits- und Anfechtungsgründen einzelner Eigentümer ausgeschlossen sein (z. B. Formfehler bei Einladungen). Dies muss auch für die in virtuellen Eigentümerversammlungen gefassten Beschlüsse gelten.
Willensbildung vereinfachen
Wohnungseigentümer würde bei diesen Änderungen nicht schlechter gestellt werden. Auch die Befürchtung, dass ältere Wohnungseigentümer bei Online-Lösungen von der Willensbildung ausgeschlossen werden, sei nicht haltbar. Denn die Möglichkeit der Stimmrechtsübertragung auf andere Eigentümer oder den Verwalter besteht selbstverständlich weiter.
UPDATE (26.03.21):
Das Bundesjustizministerium hat sich in seiner Antwort an den VDIV der Verbandsauffassung angeschlossen, dass Vertreterversammlungen ein geeignetes Instrument sind, um Beschlussfassungen in den Gemeinschaften während der aktuell schwierigen Situation zu ermöglichen.
Das BMJV unterstützt das vom VDIV Deutschland vorgeschlagene Instrument der Vertreterversammlung. Seit Beginn der pandemiebedingten Kontaktbeschränkungen rät der Verband Immobilienverwaltungen und Eigentümergemeinschaften zu diesem Format und empfiehlt, in enger Abstimmung mit dem Verwaltungsbeirat auch im Jahr 2021 verstärkt davon Gebrauch zu machen.
Nach § 23 Abs. 1 Satz 2 WEG kann die Gemeinschaft außerdem beschließen, die Versammlung hybrid stattfinden zu lassen. Zur Herbeiführung eines solchen Beschlusses kann eine Vertreterversammlung mit Vollmachtserteilung einberufen werden, auf der nur ein Tagesordnungspunkt zur Beschlussfassung ansteht, nämlich die Ermöglichung der Online-Teilnahme.
Quelle: VDIV
* in Artikel 2, § 6 des Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht.
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