Wohnen im Alter

Mietrechtsurteile zum Thema Senioren und Immobilie

Die Bevölkerungspyramide steht auf dem Kopf. Im Jahr 2050 wird die Hälfte der deutschen Bevölkerung älter als 48 Jahre sein. Es ist klar, dass die Gesellschaft sich mit den Themen einer alternden Gesellschaft auseinandersetzen muss, so auch die Gerichte. Hier sind einige Urteile zum Thema Wohnen im Alter, Senioren und Immobilien.

Entscheidungen deutscher Gerichte zum Thema Senioren und Immobilie. BILD: PIXABAY/ Geralt
Entscheidungen deutscher Gerichte zum Thema Senioren und Immobilie. BILD: PIXABAY/ Geralt

Nutzung einer Immobilie als kommerzielles Altenheim?

In Berlin hatte sich eine Senioren-Wohngemeinschaft in einer größeren Eigentumswohnung eingemietet und beschäftigte dauerhaft eine Pflegekraft. Die Eigentümer der WEG forderten eine Unterlassung. Nach ihrer Auffassung handle es sich bei der Senioren-WG um eine kommerzielle Nutzung der Immobilie als Altenheim. Das Amtsgericht musste angerufen werden. Der zuständige Richter schloss sich der Auffassung der Eigentümer nicht an: Es handle sich um eine Wohnnutzung. Die Wohngemeinschaft aus Senioren weise keinen kommerziellen Pflegeheimcharakter auf.

Amtsgericht Berlin-Charlottenburg, Aktenzeichen 73 C 64/18.

Alten- und Pflegeheim als Nachbar hinnehmen

Die Nachbarschaft zu einem Alten- und Pflegeheim begründet keinen Entschädigungsanspruch. Anwohner hatten sich an den Geräuschen der Heimbewohner gestört und auch daran, dass diese direkt in ihren Garten blicken konnten. Auch der Lieferverkehr war ihnen ein Dorn im Auge. Das Oberlandesgericht Karlsruhe betonte, es handle sich erstens nicht um eine wesentliche Störung und zweitens sei es ein wichtiges gesellschaftliches Anliegen, pflegebedürftigen Menschen ein möglichst unbeschränktes Leben zu ermöglichen.

OLG Karlsruhe, Aktenzeichen 14 U 43/06

Mietvertrag geht nach Abbleben nicht automatisch auf Verwandte über

Eine Tochter hatte ihren kranken Vater in dessen Mietwohnung aufopferungsvoll betreut. Nachdem der Mann gestorben war, wollte sie in dessen fast 50 Jahre bestehendes Mietverhältnis eintreten. Doch der Eigentümer wies darauf hin, dass kein gemeinsamer Haushalt geführt worden sei, der eventuell einen solchen Anspruch begründen könne. Das Amtsgericht München schloss sich dieser Rechtsmeinung an. Zwar habe die Frau immer wieder in der Wohnung des Vaters übernachtet, aber ihre eigene Wohnung trotzdem nicht aufgegeben. AG München, Aktenzeichen 452 C 17000/17.

Anders sah es im Falle eines betagten Mieters aus, der jahrelang mit einem als Untermieter gemeldeten Freund zusammengelebt hatte. Als der Hauptmieter starb, gestattete das Amtsgericht Berlin-Tempelhof-Kreuzberg dem Freund den Eintritt in den Mietvertrag. Es sei unbestritten, dass es sich hier um einen gemeinsamen, auf Dauer angelegten Haushalt gehandelt habe. Ein exklusives Nähe- oder Liebesverhältnis sei dazu nicht erforderlich. AG Berlin-Tempelhof, Aktenzeichen 7 C 39/17.

Begriff „seniorengerecht“ ist nicht geschützt

In der Werbung für ein Bauprojekt war die Rede davon, dass die Wohnungen „seniorengerecht“ ausgestattet seien. Doch das sahen die Auftraggeber nach Fertigstellung nicht als gegeben an. So fehlten zum Beispiel die völlige Barrierefreiheit, die Begehbarkeit mit Rollator und Haltegriffe in Bad und Toilette. Nach Überzeugung des Oberlandesgerichts Koblenz beinhaltet aber der werbemäßige Begriff „seniorengerecht“ das alles nicht automatisch. Vertragsbestandteil sei nur das, was sich eindeutig als Ausstattungsmerkmal ergebe.

OLG Koblenz, Aktenzeichen 10 U 1504/09

Kündigung Mietverhältnis von älteren, psychisch oder physisch kranken Menschen

Immer wieder spielt es vor Gericht eine Rolle, ob älteren und psychisch oder physisch stark belasteten Mieterinnen und Mietern ein Auszug zuzumuten ist. Das Landgericht Limburg entschied, dass alleine die latente Suizidgefahr eines 70-Jährigen nicht ausreiche, um eine Zwangsvollstreckung auf Räumung vorläufig einzustellen. Es habe eine ausreichend lange Vorbereitungszeit gegeben, um sich (auch mit ärztlicher Betreuung) auf diese gewiss schwierige Lage einzustellen. LG Limburg, Aktenzeichen 7 T 116/20.

Im Falle einer pflegebedürftigen 87-jährigen Mieterin ließ das Amtsgericht Nürnberg eine Eigenbedarfskündigung und die damit verbundene Räumung der Wohnung nicht gelten. Die betagte Frau lebe seit über einem halben Jahrhundert in der Immobilie und sei in der Nachbarschaft tief verwurzelt. Zudem leide sie an einer Angststörung. In der Gesamtschau müsse man von einer unzumutbaren Härte ausgehen. AG Nürnberg, Aktenzeichen 244 C 7495/18.

Weiterer Schlüssel vom Vermieter

Menschen im höheren Alter sind häufig auf die Unterstützung von Familienmitgliedern und auf die professionelle Hilfe eines Pflegedienstes angewiesen. Doch diese Personen müssen auch die Möglichkeit haben, mit Hilfe eines eigenen Schlüssels in die Wohnung zu gelangen, ohne stets die Betreuten um die Türöffnung bitten zu müssen. Ein Vermieter verweigerte allerdings die Übergabe eines zusätzlichen Schlüssels für den Pflegedienst. Das Amtsgericht Gelsenkirchen stellte sich auf die Seite der Mieterin und ordnete die Aushändigung des Schlüssels an.

AG Gelsenkirchen, Aktenzeichen 210 C 147/13

Betreten der Wohnung

Wenn ein Handwerker eine Wohnung betreten muss, dann sind auch das Alter der Mieterin sowie deren Ängste und Befürchtungen kein Grund dafür, darauf zu verzichten. Eine 92-jährige Frau wurde vom Amtsgericht München dazu verurteilt, Handwerkern für Vorarbeiten zu einem Fensteraustausch den Zutritt zu gewähren. Zumal deswegen, weil sie im Vorfeld selbst die undichten Fenster gerügt hatte.

AG München, Aktenzeichen 418 C 18466/18

Notrufvorrichtung ist jetzt Pflicht in Aufzügen

Ein Aufzug kann nicht ohne weiteres stillgelegt werden, wenn er zum Zeitpunkt des Mietvertrages bereits vorhanden und damit Bestandteil der Mietsache war. Eine 82-Jährige, die im vierten Stock des Hauses wohnte, wollte sich nicht damit abfinden, dass ihr plötzlich kein Lift mehr zur Verfügung stand. So sah es auch das Amtsgericht München und wies den Eigentümer darauf hin, dass er den vom TÜV wegen einer fehlenden Notrufeinrichtung gesperrten Aufzug wieder instandsetzen müsse. AG München, Aktenzeichen 425 C 11160/15.

Quelle: Infodienst Recht und Steuern der LBS

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