„Wir kriegen nicht mehr Leute auf die Baustellen“
„Wir kriegen nicht mehr Leute auf die Baustellen“, sagte Geywitz mit Blick auf die seit Jahren wachsende Differenz zwischen Bauüberhang (genehmigte, aber nicht gebaute Wohnungen) und fertiggestellten Wohnungen. Daher sei das Bauen mit seriell vorgefertigten Komponenten ein wichtiger Lösungsansatz um den Neubauzielen näher zu kommen. Der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW hatte die Ministerin auf eine Baustelle in Berlin-Neukölln eingeladen, wo die landeseigene Berlinovo Immobilien Gesellschaft ein Gebäude mit 50 Studenten-Apartments mit insgesamt 105 Wohnplätzen in Modulbauweise errichten lässt. Tragwerk, Innenausbau und Gebäudehülle bestehen zu 70 Prozent aus Holz. Nach Angaben des österreichischen Herstellers Lukas Lang Building Technologies GmbH wurde das Tragwerk mit vier bis sechs Bauarbeitern errichtet, bevor die vorgefertigten Wohnmodule in das Holzskelett einmontiert wurden.
Berlinovo will 6.000 Apartments bis 2026 modular errichten lassen
Kein Wohnungsunternehmen nutzt die Rahmenvereinbarung des GdW für serielles und modulares Bauen so intensiv wie die Berlinovo. Bereits 2018 hatte der Verband nach einer europaweiten Ausschreibung mit neun Modulherstellern eine Rahmenvereinbarung getroffen. Auf dieser Grundlage können Wohnungsunternehmen neun unterschiedliche Baukonzepte zeitsparend und kostenstabil quasi aus dem Katalog auswählen.
Die Berlinovo hat bislang knapp 2.000 Wohnplätze auf Basis der GdW-Rahmenvereinbarung beauftragt. Dass die Berlinovo seriell baut, begründet Christian Marschner, Geschäftsführer der Berlinovo Grundstücksentwicklungs GmbH, damit, dass sein Unternehmen bis Ende 2026 nicht weniger als 6.000 Wohnplätze für Studierende errichten will. „In konventioneller Bauweise wäre die zügige Errichtung solcher Volumina kaum zu bewerkstelligen“, sagt Marschner. Dafür brauche es „standardisierte Prozesse, die vor allem serielle und modulare Bauverfahren nutzen“.
Goldbeck kann für 2.000 Euro Pro Quadratmeter bauen
Das zweite Modulbau-Objekt auf der Besichtigungstour der Bauministerin waren zwei Wohngebäude mit 66 Wohnungen der Gesellschaft Stadt und Land im Berliner Stadtteil Treptow-Köpenick. Die zwei viergeschossigen Gebäude wurden vom GdW-Rahmenvertragspartner Goldbeck innerhalb eines Jahres mit seriell vorgefertigten Wand- und Deckenelementen aus Beton errichtet. Als komplett vorgerüstete Raummodule wurden hier die Bäder in das tragende Betonwandgerüst eingebaut. Ministerin Geywitz wollte von den anwesenden Goldbeck-Vertretern wissen, was Goldbeck für die Verbesserung der CO2-Bilanz tue. Antwort: Goldbeck biete auch die kombinierte Bauweise mit Holz und Beton an und verwende Recycling-Beton. Die Goldbeck-Vertreter versicherten auf eine entsprechende Nachfrage der Ministerin, dass sie aufgrund der industriellen Bauteilefertigung Neubauwohnungen zum Preis von 2.000 Euro pro Quadratmeter realisieren könnten.
Stadt und Land-Geschäftsführer Ingo Malter hob die kurze Bauzeit und das durch die Rahmenvereinbarung extrem kurze Ausschreibungsverfahren hervor, relativierte allerdings diesen zeitlichen Vorteil, weil es in der Planungsphase für das Projekt in Treptow-Köpenick langwierige Verhandlungen mit der Denkmalschutzbehörde gegeben habe. Der Grund sei die unmittelbare Nachbarschaft der neuen Mietshäuser zu einer Jugendstilvilla. Obwohl dieses historische Gebäude physisch gar nicht vom Modulbauprojekt berührt sei, führe die Priorisierung des Denkmalschutzes zu einer deutlichen Verzögerung bei der Schaffung von modernem Wohnraum. Ministerin Klara Geywitz machte wenig Hoffnung auf eine Entschlackung der Vorschriften, weil „der Denkmalschutz Sache der Bundesländer ist“. Trotz verbleibender Hürden im deutschen Genehmigungswesen erklärte Stadt und Land-Geschäftsführer Malter: „Wir können uns gut vorstellen, auch in Zukunft auf serielle Bausysteme zurückzugreifen, die durch verkürzte Planungs- und Bauzeiten einen Beitrag dazu leisten, unsere Neubauziele im Wohnungsbau zu erreichen.“
Die GdW-Rahmenvereinbarung läuft im kommenden Frühjahr aus. GdW-Hauptgeschäftsführerin Ingeborg Esser kündigte jedoch eine Neuausschreibung für 2023 an. 2017 hätten sich rund 50 Bauunternehmen beteiligt, im kommenden Jahr rechne sie mit 100 Bewerbern und 25 Modulherstellern, die als Anbieter in den Rahmenvertrag 2.0 aufgenommen würden.
Autor: Thomas Engelbrecht
Beispiele modulares Bauen:
kwg Hildesheim errichtet 16 Wohnungen in vier Tagen
Neun Wohnungen in knapp vier Monaten bezugsfertig
Wir machen weniger Baumüll“