Wohnungswirtschaft fordert gesetzliche Untergrenze für Raumtemperatur
Der VdW Bayern hat seine 493 Mitgliedsunternehmen mit 560.000 Wohnungen befragt. Zwei Drittel der Wohnungen würden mit Gas beheizt und mehr als die Hälfte der Wohnungsunternehmen befürchtet Zahlungsausfälle. Nach Berechnungen des Verbandes müssen zahlreiche bayerische Haushalte künftig jährlich mit rund 1.700 Euro Mehrkosten für das Heizen rechnen. Aktuell profitierten viele Unternehmen und damit die Mieter noch von günstigen Altverträgen. 30 Prozent aller Verträge liefen noch mit fixen Preisen bis Ende 2022, 29 Prozent der Verträge noch bis Ende 2023. Durchschnittlich bezögen Unternehmen derzeit Gas zu einem gemittelten Preis von 5,59 ct/kWh. „Doch manche Wohnungsunternehmen bezahlen bereits jetzt mehr als 13 ct/kWh und es ist nur eine Frage der Zeit, bis die hohen Energiepreise voll bei der Wohnungswirtschaft ankommen“, sagt Verbandsdirektor Hans Maier. Beim Durchreichen des aktuellen Preises würden die Mehrkosten für Mieter etwa 1.700 Euro jährlich betragen – aufgrund der niedrigen Mieten der Wohnungswirtschaft bedeute dies einen Warmmietenaufschlag von durchschnittlich 25 Prozent.
Warmmieten werden durchschnittlich um 25 Prozent steigen
Angesichts der Teuerung hätten bereits mehr als zwei Drittel der Mitgliedsunternehmen Maßnahmen zur Senkung des Energieverbrauchs getroffen oder bereiteten diese vor. Am häufigsten sei bisher die Optimierung von Heizungsanlagen umgesetzt (93%) worden.
Darüber hinaus hätten 71 Prozent der Unternehmen bereits Vereinbarungen über eine freiwillige Erhöhung der Heizkostenvorauszahlung abgeschlossen. Ein Großteil der Unternehmen biete eine freiwillige Erhöhung zwischen 25 und 50 Prozent an. Dürfen Mieter selbst einen Erhöhungsbetrag festlegen, so entschieden sie sich im Mittel für 40 Prozent.
Sanierungsprojekte und Neubau werden zurückgestellt
Mehr als die Hälfte der Verbandsmitglieder (56%) sähen trotzdem ein hohes oder sehr hohes Risiko, dass es bei großen Teilen ihrer Mieter zu Zahlungsausfällen infolge der explodierenden Energiepreise kommt. Um die eigene Liquidität nicht zu gefährden, gebe jedes zweite Wohnungsunternehmen an, Neubauvorhaben oder Modernisierungsprojekte zurückstellen. „Die Aussichten bei den sozial orientierten Wohnungsunternehmen sind trübe“, sagt Verbandsdirektor Maier. Die Unternehmen kämpfen bereits mit steigenden Baukosten, Lieferschwierigkeiten und dem Fachkräftemangel, da kommt der Energiepreisschock zur Unzeit. Für 2023 erwartet der Verbandsdirektor deutlich sinkende Neubauzahlen. Die hohen Energiepreise wirkten hier zusätzlich bremsend aus, neben den steigenden Baukosten, den Lieferengpässen und dem Personalmangel bei Bau- und Handwerksfirmen.
GdW sieht Gefahr von Insolvenzen für Wohnungsunternehmen
Auch der Verband der Wohnungswirtschaft (GdW) hat Prognoserechnungen angestellt und warnt vor drastisch steigenden warmen Betriebskosten, die „den sozialen Frieden in Deutschland massiv in Gefahr“ bringen könnten. Durch den Ukrainekrieg sei der Preis über alle Energiearten gemittelt bis Mai um 37 Prozent angestiegen. Schon das bedeute für einen Ein-Personenhaushalt eine Mehrbelastung von 508 Euro im Jahr im Vergleich zu 2021. Nach Angaben verschiedener Energieanbieter dürften sich die Preissteigerungen über alle Energieträger in einer Spanne zwischen 71 und knapp 200 Prozent abspielen. Dies bedeute für einen Ein-Personenhaushalt eine Mehrbelastung von 1.000 bis 2.700 Euro im Jahr, bei zwei Personen läge die Mehrbelastung bei 1.400 bis 3.800 Euro im Jahr.
Sofern die Bundesregierung die dritte Stufe des Notfallplans Gas ausrufe und die Energieversorger die massiven Preissteigerungen an die Haushalte weitergeben dürfen, rechnet der GdW mit Gaspreissteigerungen von bis zu 400 Prozent. Nach den Berechnungen des GdW habe die bis Mai eingetretene Preissteigerung von 39 Prozent zu Mehrkosten für die Wohnungsunternehmen von über 650 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr geführt. Das sei problematisch, weil Wohnungsunternehmen gegenüber den Energieversorgern in Vorkasse treten müssen. Die Vorfinanzierung der Energie sei vielfach kreditgestützt und angesichts von teils über 4 Prozent Zinsen könnten Wohnungsunternehmen in existenzbedrohende Liquiditätsengpässe geraten.
„Angesichts des Krieges ist Wärmeverzicht angesagt“
Die massive Drosselung der Gaslieferungen und wechselnde Ankündigungen über zukünftige Liefermengen sind Teil des Wirtschaftskrieges, den die russische Regierung gegen die europäischen Staaten führt, die die Ukraine bei der Verteidigung ihres Landes unterstützen. Angesichts des Leids, den der Krieg in der Ukraine verursacht, erscheinen Energieeinsparung und Verzicht in Deutschland als moralisch geboten.
Juristisch reicht das allerdings nicht als Grundlage für Vermieter, die Raumtemperatur längerfristig abzusenken. Deshalb fordert die Branche eine gesetzliche Regelung von der Bundesregierung. Im Gespräch mit dem Handelsblatt forderte der Vorstandschef der LEG Immobilien SE, Lars von Lackum, die Politik müsse der Bevölkerung in der derzeitigen Kriegssituation klarmachen, dass Wärmeverzicht angesagt sei. Schließlich müsse die Industrieproduktion am Laufen gehalten werden. Eine warme Wohnung nütze wenig, wenn niemand mehr zu Arbeit gehen könne, weil die Industrie ihre Produktion einstellen müsse. Lackum mahnte für den Winter eine gesetzliche Regelung an, die Temperaturen stärker als bisher absenken zu dürfen. Die Entscheidung müsse rasch fallen, denn die Umstellung Zehntausender von Heizungsanlagen nehme Monate in Anspruch. Der LEG-Chef rechnete gegenüber dem Handelsblatt damit, dass auf die Mieter der LEG im nächsten Jahr Nachzahlungen von ein bis zwei Monatsmieten zukommen würden. Er gehe davon aus, dass bundesweit bis zu 20 Prozent der Mieter das Problem mit den Energiepreisen finanziell alleine nicht mehr in den Griff bekommen.
So ist die Gesetzeslage
Mietrechtlich existiert keine Mindestraumtemperatur für Wohnungen oder Gewerberäume. Als Maßstab bei Auseinandersetzungen zwischen Mietern und Vermietern dienen lediglich einige wenige Gerichtsurteile. Aus diesen Urteilen werden „Behaglichkeitstemperaturen“ abgeleitet:
- Wohnräume, Büroräume und Flure sollen in der Zeit von 6 bis 23 Uhr mindestens 20 Grad Zimmertemperatur aufweisen.
- Nebenräume, wie etwas Abstellkammern, sollten im selben Zeitraum mindestens 18 Grad aufweisen.
- In der Nacht liegt die „Spannbreite“ der Behaglichkeit zwischen 16 und 18 Grad.
Eine längerfristige Temperaturabsenkung, die der Vermieter durch Drosselung der Heizungsanlage veranlasst, bedarf einer gesetzlichen Grundlage, etwa durch das Energiesicherungsgesetz. Ohne eine solche Anordnung sieht sich die Wohnungswirtschaft einer Lawine von Mietkürzungen ausgesetzt. (Red.)
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