Aufstockung in Milieuschutzgebieten
Eine 150 Meter lange Schlange von Interessenten beim Besichtigungstermin für drei Zimmer in einem Berliner Altbau – ein Fall, der in den Medien für Schlagzeilen sorgte. Dass dies kein Einzelfall ist, zeigt der Wohnungsmarktbericht 2023 der IBB: Einem Bestand von 2.014.562 Wohnungen stehen 3.755.251 Einwohner gegenüber. Während die Bevölkerung im Vergleich zum Vorjahr um rund zwei Prozent gewachsen ist, stieg der Wohnungsbestand nur um 0,2 Prozent.
Doch nicht nur in Berlin mangelt es an bezahlbarem Wohnraum. In der Hauptstadt zeigt sich diese Entwicklung allerdings wie unter einem Brennglas.
Für die betroffenen Städte gilt daher die Prämisse: neuen Wohnraum schaffen – schnell, ESG-konform und im Idealfall ohne weitere Freiflächen zu versiegeln. Neben dem zeit- und kostenintensiven Neubau kommt dabei dem Ausbau von Dachgeschossen und der Etagenaufstockung eine zentrale Bedeutung zu. Allein durch Aufstockungen können Tausende neue Wohnungen geschaffen werden – ohne neue Flächen zu versiegeln.
Nach einer Analyse von Syte, Probis, Price Hubble und Liwood gibt es derzeit allein in Berlin zwischen 430.000 und 510.000 Quadratmeter Geschossfläche, die entwickelt werden können. Das entspricht 7.000 bis 8.000 Wohnungen mit einer Wohnfläche von 50 Quadratmetern.
Milieuschutzsatzungen als Hemmschuh
Es könnte so einfach sein. Doch Bestandshalter und Projektentwickler kennen das Problem: Bei der Transformation des Bestands machen ihnen baurechtliche Vorschriften einen Strich durch die Rechnung. Insbesondere in Milieuschutzgebieten erschweren gesetzliche Regelungen zunehmend die Entwicklung ungenutzter Dachgeschosse und Aufstockungen.
Doch gerade Immobilien mit Aufstockungs- und Ausbaupotenzial liegen in Berlin häufig in diesen Milieuschutzgebieten. Um Verdrängungseffekte in Metropolregionen zu begrenzen, greifen hier strenge Satzungen, die Umbaumaßnahmen wie Gebäudeaufstockungen oder den Dachgeschossausbau unter Genehmigungspflicht stellen. Ein gutgemeinter Ansatz zum Schutz vor Gentrifizierung wird so zum Verhinderer einer dringend notwendigen Weiterentwicklung des Wohnraums in der Hauptstadt.
Zudem sind die Genehmigungsvoraussetzungen und -verfahren für Bestandssanierungen in den Bezirksämtern nicht einheitlich geregelt. Unternehmen, die Altbauten in den verschiedenen Berliner Milieuschutzgebieten entwickeln, werden immer wieder mit neuen Anforderungen und Auslegungen der Richtlinien konfrontiert. Seien es nun unnötig strenge Brandschutzauflagen, die zu massiven Verteuerungen führen, das pauschale Verbot von Aufzügen, wodurch Dachgeschosswohnungen kaum nutzbar sind oder weitere Hürden im bürokratischen Alltag. Sanierungswilligen Eigentümern werden unnötig Steine in den Weg gelegt und die Bestandsentwicklung verlangsamt, während große Potenziale nicht gehoben werden können.
Land in Sicht
Einige deutsche Städte haben den Konflikt zwischen Bestandstransformation und den Genehmigungsverfahren in Milieuschutzgebieten erkannt und signalisieren Änderungen in den Anwendungsrichtlinien. Um Aufstockungen und Wohnungsneubau zu fördern, ist dies ein erster Schritt in die richtige Richtung. Eine kritische Überprüfung der Milieuschutzsatzungen ist entscheidend, um die dringend notwendigen Gebäudeaufstockungen und Dachgeschossausbauten realisierbar zu machen und damit dem Wohnungsmangel in Deutschland wirksam zu begegnen.
Es ist also Land in Sicht – für Wohnungssuchende, Vermieter und Entwickler. Insbesondere die Aussicht, dassMilieuschutzsatzungen angepasst und praxistauglicher gestaltet werden sollen, ist vielversprechend. Dem müssen nun aber Taten folgen – auch und gerade in Berlin.
Die Preig AG
Redaktion (allg.)
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