Der Jahreswechsel ist eine echte Zäsur. Nach dem Aus der Ampelkoalition und vor der Bundestagswahl im Februar wächst die Verunsicherung darüber, wie die klimaneutrale Sanierung des Wohngebäudebestandes finanziert werden soll. Das vorzeitige Ende der Regierungskoalition bietet die Chance auf eine grundsätzliche Neuausrichtung des Klimaschutzes im Gebäudesektor. Lange vor dem Ampel-Aus hat sich abgezeichnet, dass die Konzentration auf Energieeinsparung durch Gebäudedämmung unbezahlbar ist. Die immer höheren Werte für Gebäudeenergieeffizienz durch Dämmung, das ist Klimaschutz für Reiche. Bereits 2023 meldete sich die Initiative Wohnen.2050 mit einer ernüchternden Bilanz. Der Investitionsbedarf für das Erreichen der Klimaneutralität übersteige die finanziellen Möglichkeiten der meisten Wohnungsunternehmen um ein Vielfaches, zum Teil um den Faktor Fünf. Damals gab es unter den 220 Mitgliedern der IW.2050 ganze zwei Wohnungsunternehmen, deren Bestände bis 2045keine CO2-Emissionen mehr haben werden.
Nun haben sich fünf Professoren aus Architektur und Ingenieurwesen mit einem „Manifest für einen Kurswechsel in der Klimapolitik für den Gebäudesektor“ zu Wort gemeldet. Ihre Analyse: Seit 2010 hat Deutschland mehr als 500 Milliarden Euro in die Gebäudedämmung und die Haustechnik investiert, ohne dass der Energieverbrauch nennenswert abgesenkt werden konnte. Eine Förderpolitik, die vor allem die tiefe Sanierung der Gebäudehülle verlangt, überfordere jeden Bundeshalt um ein Mehrfaches. Die fünf Unterzeichner des Manifestes empfehlen ein Umsteuern: statt kostspieliger Sanierungen der Gebäudehülle eine möglichst schnelle Umstellung auf eine Wärmeversorgung durch emissionsfreie Energieträger.
Für einen bezahlbaren Klimaschutz schlagen die Wissenschaftler unter anderem den schnellen Umstieg auf die Wärmepumpe vor. Etwa zwei Drittel aller Mehrfamilienhäuser seien teilsaniert oder nach Einführung der Energieeinsparverordnung 2002 gebaut. Das trifft weitgehend auf die Immobilien der sozial orientierten Wohnungswirtschaft zu. Diese Gebäude seien in der Regel für den Einsatz von Wärmepumpen geeignet – ohne das Flächenheizkörper eingebaut werden müssten. Die fünf Experten haben gerechnet: Der Förderbedarf würde sich von heute 50 Milliarden auf 18 Milliarden Euro pro Jahr senken lassen, wenn das Geld in erster Linie für die emissionsfreie Wärmeerzeugung eingesetzt würde.
Die Wissenschaftler haben die „Initiative Praxispfad CO2-Reduktion im Gebäudesektor“ gegründet. Ihr Manifest für einen Kurswechsel ist ein Aufruf an die Politik und an Akteure der Immobilienwirtschaft, den Ansatz zu diskutieren. Als erster ist der GdW der Initiative beigetreten. Es ist nicht allzu viel Zeit, den Kurswechsel in der Gebäudeklimapolitik in die Breite zu tragen. Ein neuer Konsens müsste in die Koalitionsverhandlungen nach der Bundestagswahl im Februar eingebracht werden. Die Ruhe zwischen Weihnachtsfest und Neujahrstag gibt vielleicht Raum zum Nachdenken.
Im diesem Sinne wünsche ich allen Leserinnen und Lesern frohe Weihnachten und ein energieeffizientes neues Jahr.
Bericht über das Manifest, die Initiatoren und das Dokument zum Download via QR-Code.
Thomas Engelbrecht
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