Mieter-Bonität mithilfe von KI prüfen

Das private Bankkonto als Spiegel des Lebens

In hart umkämpften Wohnungsmärkten mit zahllosen Mietinteressenten erfordert die individuelle Bonitätsprüfung einen besonderen Arbeitsaufwand. KI kann hier eine wesentliche Entlastung bringen – sofern Interessenten ihr Bankkonto zur Einsicht freigeben.

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 Bild: Blende11.Photo/stock.adobe.com
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Dazu gehört nicht nur Zeit für die Koordinierung und Durchführung der Besichtigungstermine, sondern vor allem auch Zeit für eine sorgfältige Prüfung, ob potenzielle Mieter solvent sind. In der Regel werden dazu im Rahmen der Mieterselbstauskunft von Interessenten Nachweise über aktuelle Beschäftigungsverhältnisse, Gehaltsabrechnungen der vergangenen Monate, eine Mietschuldenfreiheitsbescheinigung des vorherigen Vermieters sowie eine Bonitätsauskunft angefordert. Liegen diese Unterlagen papierbasiert vor, so müssen diese manuell gesichtet und händisch zusammengefasst werden. Hierbei geht insbesondere bei einer großen Zahl von Interessenten viel Zeit verloren. Zudem müssen Vermieter dafür sorgen, dass diese vertraulichen Daten nicht in unbefugte Hände gelangen und nach Ende des Auswahlprozesses datenschutzkonform vernichtet werden.

Smarter und rechtssicherer Auswahlprozess

Mithilfe digitaler Lösungen können Vermieter die Prüfung der Solvenz und Bonität von Interessenten beschleunigen. Die Grundlage dafür bilden die Kontoumsätze des Nutzers, die nahezu dessen gesamtes Leben widerspiegeln. Sie werden mit Zustimmung des Mietinteressenten, unter Wahrung der Datensouveränität, und mithilfe von Algorithmen, die auf Künstlicher Intelligenz (KI) basieren, analysiert. Dabei gilt: „So viel wie nötig, aber so wenig wie möglich“ – es werden also nur jene Daten analysiert, die zuvor autorisiert wurden. Im Anschluss werden die Gehaltseingänge sowie Mietzahlungen zusammengefasst. Damit entfällt für Vermieter die aufwendige Sichtung von Arbeitsverträgen, Gehaltsabrechnungen sowie Mieterauskünften, womit eine hohe Zeitersparnis einhergeht. Zudem kann der Vermieter eine Relation zwischen Einkommen und Mietzins herstellen und somit besser die Zahlungsfähigkeit des Interessenten einschätzen.

Idealerweise erfasst eine solche Lösung zusätzlich nicht nur die Daten von einer, sondern gleich von den vier Auskunfteien Creditreform, Boniversum, Experian und Regis24. Alle Informationen münden schließlich in einer Mietermappe, die die Ergebnisse aus der Kontoanalyse sowie der Abfrage der Auskunfteien nachvollziehbar darstellt. Dabei kann der Vermieter definieren, in welchem Format er diese Mappe erhält, beispielsweise in einer PDF-Datei oder aber in strukturierten Datensätzen, die sich dann in weiterführende Systeme importieren lassen.

Somit profitiert er neben der Zeitersparnis von einer hohen Sicherheit bei der Bewertung der Zahlungsfähigkeit. Durch verschiedene Auskunfteien und die Kontoanalyse erfüllt die Lösung auch die aktuelle Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, wonach der SCHUFA-Score nicht der einzige Faktor sein darf, um eine Bonität zu bewerten.

Die Spreu vom Weizen trennen

So weit die Theorie. Jetzt zur Praxis und damit zu der Frage, wie für Vermieter eine solche digitale Bonitätsprüfung umsetzbar ist. Zunächst einmal sollte ein solches Verfahren sowohl für Vermieter als auch für Mietinteressenten einfach anwendbar sein. Hierfür existieren am Markt entsprechende Plattformen, auf denen sich Vermieter einfach registrieren und daran anschließend Interessenten mit einem Link zur digitalen Bonitätsprüfung einladen können. Der Mietinteressent kann aber auch proaktiv einen digitalen Bonitätsnachweis auf einer solchen Plattform bestellen. Dort loggt er sich in einem geschützten Bereich und mit seinen gewohnten Zugangsdaten in sein Online-Banking-System ein. Die Analyse der Kontodaten mithilfe von KI-basierten Algorithmen erfolgt daraufhin automatisch. Wichtig ist, dass die gewählte Plattform alle in Deutschland ansässigen Bankinstitute anbindet, was über eine universelle Banking-Schnittstelle gewährleistet sein kann. Außerdem sollte im Hinblick auf Datensicherheit der Anbieter solcher Dienste umfangreiche Sicherheitsauflagen für Rechenzentren sowie Datenübertragung und Speicherung erfüllen. Die Grundlage für die Analyse von Kontotransaktionen ist übrigens durch die Zahlungsdiensterichtlinie PSD2 gegeben, die regulierten Drittanbietern wie Fintechs den Zugang zu Bankdaten erlaubt. Insofern sollte die Datenanalyse-Lösung von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, kurz BaFin, zertifiziert sein.

Datenhoheit – Kontrolle von und Eigentum an Daten

Ein weiterer Aspekt ist, dass die sogenannte Datenhoheit des Mietinteressenten gewahrt bleibt. Sie betrifft die Rechte von Individuen (und Organisationen) hinsichtlich des Zugriffs, der Nutzung und der Weitergabe ihrer Daten. Schließlich ist in einem Zeitalter, in dem Daten zunehmend als wertvolle Ressource gelten, die Frage immer wichtiger, wer die Kontrolle über diese Daten hat. Der Nutzer einer Datenanalyse-Lösung kann also entscheiden, mit wem er welche Daten wie lange teilt.

Auch Mietinteressenten profitieren von einem solchen digitalen Verfahren. Sie müssen Unterlagen, die ihre Solvenz belegen, nicht mühsam zusammentragen und kopieren. Vielmehr können sie ihre finanzielle Stabilität und Zuverlässigkeit schnell und einfach nachweisen und sich so einen Vorteil gegenüber anderen Wohnungssuchenden verschaffen.

Digitale Lösungen schaffen also aus Daten einen echten Mehrwert für Mieter und Vermieter. Sie sind ein gutes Beispiel dafür, wie die Immobilien- und Wohnungswirtschaft von innovativen Technologien profitiert. Fachsprachlich ist hierbei von Property Technology, kurz PropTech – der digitalen Transformation der Immobilienbranche –, die Rede. Diese wird aufgrund des hohen Wettbewerbsdrucks sowie steigender Preise auch immer wichtiger und bildet die Voraussetzung für effizientes Wirtschaften. Last, but not least gewährt sie Vermietern mehr Zeit für das Wesentliche, nämlich sich um die Belange ihrer Kunden zu kümmern.

Alexander Sieverts

Alexander Sieverts
CEO und Gründer von itsmydata

Aleksandar Jeremic

Aleksandar Jeremic
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Artikel Das private Bankkonto als Spiegel des Lebens
Seite 43
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