Reform des TKG

Streit um die Umlagefähigkeit von Kabel-TV-Gebühren

Die mietrechtliche Umlagefähigkeit der Kabel- und Fernsehgrundgebühren wackelt. Das Bundeswirtschaftsministerium arbeitet an einer Reform des Telekommunikationsgesetzes, die bis in die Betriebskostenverordnung hineinwirkt. Die Wohnungswirtschaft ist alarmiert: Millionen Mieterhaushalten könnten Gebührenerhöhungen ins Haus stehen.

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Ein vorhandener Kable-TV-Anschluss kann bei Einzug von einem MIeter übernommen werden. Die Gebühr bezahlt er über den Mietvertrag bzw. die Nebenkostenabrechnung. Für den Vermieter war die Umlagefähigkeit jedenfalls bisher gegeben. Bild: Adobestock/Vchalup
Ein vorhandener Kable-TV-Anschluss kann bei Einzug von einem MIeter übernommen werden. Die Gebühr bezahlt er über den Mietvertrag bzw. die Nebenkostenabrechnung. Für den Vermieter war die Umlagefähigkeit jedenfalls bisher gegeben. Bild: Adobestock/Vchalup

Warum will die Wohnungswirtschaft die Umlagefähigkeit beibehalten?

Selten haben die Interessenverbände der Immobilienwirtschaft so zeitgleich, zahlreich und synchron zum selben Thema Stellung bezogen. Der ZIA Zentrale Immobilien-Ausschuss, der GdW Gesamtverband der Wohnungswirtschaft sowie dessen Regionalverbände vdw Südwest, vdw Bayern und vdw Niedersachsen Bremen warnen davor, dass Millionen Mieterhaushalte demnächst deutlich höhere Gebühren für den Breitbandkabelanschluss und damit für den Fernsehempfang zu zahlen hätten. Die Verbände sehen ein soziales Problem heraufziehen, weil 12,5 Millionen Menschen in Mietwohnungen schlimmstenfalls von Informationen und damit von der gesellschaftlichen Teilhabe abgeschnitten werden könnten. „Unseren Mieter drohen jetzt deutlich höhere Kosten. Im Bemühen um mehr bezahlbares Wohnen halten wir das für ein völlig falsches Signal“, sagt beispielsweise Susanne Schmitt, Direktorin des Verbandes der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft Niedersachsen Bremen (vdw).

Für Transferhaushalte übernimmt der Sozialhilfeträger die Kosten für den TV-Anschluss als Kosten der Unterkunft. Entfällt die Umlagefähigkeit, müssten solche Mieter den TV-Anschluss künftig aus eigenen Mitteln zahlen. Sowohl sozialpolitisch als auch mit Blick auf den Informationsbedarf der Bevölkerung ist dies aus Sicht der Verbände nicht hinnehmbar.

Heute erhalten 12,5 Millionen Bürger in Deutschland eine TV-Grundversorgung über Breitbandnetze als Teil ihrer Wohnungsmiete. Die Kosten des Betriebs der dafür notwendigen Netze sowie die erforderlichen Urheberrechtsabgaben an die TV-Sender kann der Vermieter als Nebenkosten auf seine Mieter umlegen. Dieses System der „Sammelverträge“ schafft eine kostengünstige TV-Versorgung für mehr als ein Viertel der deutschen Haushalte, zumal zahllose Mieterhaushalte von den Sonderkonditionen profitieren, die ihr jeweiliger Vermieter durch Verhandlungen mit Kabelnetzbetreibern erzielt hat.

Eine Umstellung auf Einzelverträge würde nach Einschätzung der Verbände zu deutlich höheren Kosten von bis zu 200 Euro pro Jahr für die betroffenen Mieter führen. Zudem würde der Wegfall der Umlageoption den Breitbandausbau nicht zuletzt in ländlichen Gebieten massiv beeinträchtigen und somit auch die Anstrengungen etwa für bessere Homeoffice-Bedingungen konterkarieren.

Neben dem sozialen Aspekt haben einige größere Wohnungsunternehmen auch ein wirtschaftliches Interesse an der Beibehaltung der Umlagefähigkeit der Kabel-Gebühren. Und zwar dann, wenn die Vermieter Eigentümer des Kabelnetzes innerhalb der Gebäude sind. Auf dieser Grundlage können die Wohnungsunternehmen – meist über eigens gegründete Tochtergesellschaften – Gebühren von Programmanbietern für die Nutzung der Gebäudeinfrastruktur erheben.

Was soll die Gesetzesreform bewirken?

Nach den Vorgaben der Europäischen Union müssen die Mitgliedsstaaten das Telekommunikationsrecht vollständig neu ordnen. Die EU strebt unter anderem weniger Regulierungen beim Glasfaseranschluss an. In Deutschland soll das im Rahmen einer großen Novelle des Telekommunikationsgesetzes geschehen. Im Zuge dieser Novelle wird auch über eine Änderung der Betriebskostenverordnung diskutiert. Nach § 2 Ziffer 15b BetrKV können Vermieter bislang die TV-Grundversorgung über Breitbandnetze sichern und die Kosten der Kabelnetzbetreiber als Betriebskosten auf die Mieter umlegen. Das Bundeswirtschaftsministerium drängt auf eine Abschaffung der Umlagefähigkeit der Betriebskosten der Breitbandnetze für Mietwohnungen. Die Stärkung des Wettbewerbs unter den Kabelnetzbetreibern soll mehr Kapital freisetzen für den schnelleren Ausbau von leistungsfähigen Glasfasernetzen. Außerdem sollen Mieter freier darin werden, Netz- und Programmanbieter selbst wählen zu können. Dieser Gedanke liegt nahe, da immer mehr Menschen individuell ausgewählte Inhalte aus dem Netz streamen.

Gibt es genügend Wettbewerb unter Kabelnetz-Betreibern?

Vodafone ist der einzige Kabelnetz-Betreiber, der deutschlandweit anbieten kann. Spätestens mit der Übernahme von UnityMedia durch Vodafone im Jahr 2019 ist nach Ansicht von Kritikern ein oligopole Struktur im Kabelnetz-Geschäft entstanden. Neben Vodafone spielt TeleColumbus in manchen Regionen des Landes eine gewichtige Rolle. An dritter Stelle folgt die Telekom.

Mangelnden Wettbewerb beklagt mit Vehemenz der Fachverband Rundfunk- und Breitband-Kommunikation. Der FRK vertritt die Interessen mittelständischer Unternehmen, die das Kabelnetz ausbauen und betreiben, und setzt sich für die Beibehaltung des „Sammelinkassos“ bei den Kabelgebühren ein. „Die Abschaffung wäre eine Unterwerfung unter die Marktmacht der Oligopol-Firmen in Deutschland zulasten des Mittelstandes, der Wohnungswirtschaft und der Verbraucher,“ erklärte der FRK-Vorsitzende Hans-Peter Labonte vor Verbandsmitgliedern.

Auf dem Verbandskongress des FRK Ende September 2020 in Leipzig nahm die geplante Gesetzesänderung in der Diskussion breiten Raum ein. In einer Pressemitteilung behauptet der Verband: „Diese von der Telekom initiierte und von der Wohnungswirtschaft und zahlreichen Verbänden strikt abgelehnte Streichung würde den mittelständischen Netzbetreibern die Möglichkeit nehmen, sich solide und wirtschaftlich sinnvoll beim Aufbau moderner Gigabitnetze zu refinanzieren.“ Der FRK-Vorsitzende Labonte erklärte weiter, dies verzögere den bundesweiten Ausbau schneller Netze erheblich, ermögliche der Telekom, den unliebsamen Mittelstand als Wettbewerber aus dem Markt zu drängen und führe letztlich zu erheblichen Kostensteigerungen bei den Wohnungsmietern.

Wie reagiert die Telekom?

Die Telekom sieht sich in einem Boot mit den mittelständischen Netzbetreibern und der Wohnungswirtschaft im Verhältnis zum Monopolisten Vodafone. In einem Interview mit der Fachzeitschrift Cable Vision (Ausgabe 4/2020) erklärt der für die Wohnungswirtschaft zuständige Jean-Pascal Roux: „Die Mitglieder des FRK sehen sich einem marktbeherrschenden Player im Kabel ausgesetzt, der seine Position durch die Übernahme von Unitymedia zu einem Monopol ausbaut. Uns geht es nicht anders. Da ist es besser, sich zusammenzutun, als wenn jeder für sich alleine kämpft.“

Jean-Pascal Roux wird in dem Interview gefragt, wie er zu der Kritik am sogenannten Nebenkostenprivileg, also dem Sammelinkasso der Kabel-TV-Gebühren steht. Seine Antwort: „Wir sind von der Telekommunikationsgesetzes-Novelle genauso betroffen wie alle anderen. Tatsache ist, dass dem Fernsehzuschauer heute mehr alternative Infrastrukturen und Plattformen zur Verfügung stehen als in den 80er-Jahren. Realistisch betrachtet war es also nur eine Frage der Zeit, bis die EU gegen die Nebenkostenumlage Druck macht. In den vergangenen Jahren haben auch viele Wohnungsunternehmen die Entscheidung getroffen, auf Einzelnutzerverträge umzustellen, um den Mietern die Wahlfreiheit über ihren Fernsehempfang zu geben.“

Wie reagiert Vodafone?

„Fernsehen als Privileg? Bitte nicht!“, so lautet die Überschrift einer Stellungnahme von Stephan Korehnke, Bereichsleiter Regulierung bei Vodafone. Korehnke spricht sich für die Beibehaltung der Kostenumlage aus: „Das Modell der Umlage funktioniert, weil es auf dem Prinzip der Solidarität beruht und zu günstigen Preisen führt.” Beim Fernsehen gelte das in besonderem Maße. Die Abrechnung über die monatlichen Betriebskosten biete für Mieter eine besonders günstige TV-Grundversorgung. Dieses Modell sei Grund dafür, dass die TV-Preise in Deutschland weit unter dem europäischen Durchschnitt lägen. In anderen Ländern zahle man mehr als das Doppelte.

Unberechtigt sei auch das Argument, die Umlage der TV-Kosten begünstige allein die Kabelnetzbetreiber. Das sei schlicht falsch, weil die Umlagefähigkeit der TV-Kosten technologieneutral sei und vom Satellitenempfang bis zur Glasfaser reiche.

Das Argument, ein Wegfall der Umlagefähigkeit würde den Wettbewerb beleben, sei schlicht falsch. Das Gegenteil sei der Fall: Die Umlagefähigkeit belebe den Wettbewerb. Vermieter entschieden frei, mit welcher Technologie ihre Mieter versorgt werden sollen, so Stephan Korehnke von Vodafone.

Ein wichtiger Aspekt darf nicht unerwähnt bleiben: Sammelverträge mit Wohnungsunternehmen sind für Kabelanbieter lukrativ. Der Verwaltungsaufwand ist gering und die Laufzeit beträgt oft fünf bis zehn Jahre. Das verschafft den Kabelunternehmen einen sicheren Umsatz. Der Abschluss von Einzelverträgen mit jedem Mieter bietet zwar Chancen, aber erfordert einen hohen Aufwand an Werbung und Akquisition.

Die neuen Telekommunikationsrichtlinienmüssen EU-weit bis zum 20. Dezember 2020 umgesetzt werden. Das letzte Wort ist hier offensichtlich noch nicht gesprochen.

Autor: Thomas Engelbrecht

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