Was Energiemanagementsysteme für ESG-Bewertungen bewirken
Environmental, Social and Governance, also ESG, beschreibt die drei zentralen Kriterien, anhand derer Unternehmen und Investitionen bewertet werden – in Bezug auf Nachhaltigkeit und gesellschaftliche Verantwortung. Environmental bezieht sich auf Umweltaspekte wie den Umgang mit Ressourcen, CO2-Emissionen und Umweltschutz. Social bezieht sich auf soziale Aspekte wie Arbeitsbedingungen, Mitarbeiterrechte und das Verhältnis zum gesellschaftlichen Umfeld. Governance bezieht sich auf die Unternehmensführung und die Einhaltung ethischer Grundsätze.
Auch Immobilieninvestoren, Kunden und Mitarbeiter legen zunehmend Wert auf nachhaltiges und verantwortungsvolles Handeln. Dies spiegelt sich unter anderem in der EU-Taxonomie wider, die für Immobilienfinanzierungen die Einhaltung bestimmter ESG-Kriterien vorschreibt.
Datenmanagement
Eine der Herausforderungen für die Immobilienwirtschaft ist dabei die Datenverfügbarkeit. Häufig mangelt es an zuverlässigen Informationen, die belastbare Entscheidungen und Maßnahmen ermöglichen. Zudem herrscht Unsicherheit über geeignete Bezugs- und Messgrößen sowie die Definition nachhaltiger Quartiere und die Einbeziehung infrastruktureller Maßnahmen zur CO2-Reduktion.
Der wachsende Druck auch durch ESG wird von vielen Marktteilnehmern bereits deutlich wahrgenommen. Investoren suchen deswegen vermehrt nach nachhaltigen Investitionen, bei denen zusätzliche Reportinganforderungen seitens der Stakeholder mit einem qualitativ und quantitativ hochwertigen Datenmanagement einhergehen.
Energiemanagementsysteme
Energiemanagementsysteme können bei der Erfüllung des E in ESG (und des S, wenn man von sinkenden Energiekosten ausgeht) eine Rolle spielen. Sie schlagen drei Fliegen mit einer Klappe: Erstens ermöglichen sie eine energieeffiziente Steuerung der Liegenschaften, zweitens können sie zum Teil genau die Daten liefern, die zur Erfüllung der ESG-Kriterien benötigt werden. Und drittens können sie dazu beitragen, die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften zu gewährleisten. Sie ermöglichen eine transparente Berichterstattung über den Energieverbrauch und die damit verbundenen CO2-Emissionen. Das wiederum ist wichtig für regulatorische Anforderungen und Investitionsentscheidungen. Womit sich der Kreis schließt.
Helfen könnte hier Computer-Aided Facility Management (CAFM). Diese Softwarelösungen unterstützen das Management von Gebäuden. Während bisher oft eine Kombination aus ERP-Systemen, EXCEL und CAD verwendet wurde, bietet CAFM einen entscheidenden Vorteil: Es kann die Anforderungen von ESG besser berücksichtigen und umsetzen.
Der aktuelle „Facility Management Monitor“ (Unternehmensumfrage) der Unternehmensberatung PwC sowie des Berufsverbandes RealFM und der Eventplattform Builtworld verdeutlicht die dringende Notwendigkeit solcher Systeme für die Immobilienwirtschaft. Das Facility Management (FM) wird immer digitaler, vernetzter und wissensbasierter. Dies eröffnet die Möglichkeit zur Etablierung zukunftsweisender Geschäftsmodelle durch digitale Ökosysteme.
CAFM-Software ermöglicht etwa eine effektive Überwachung und Steuerung von verschiedenen Umweltaspekten. Durch die Integration von Sensoren und IoT-Technologien können Energieverbräuche, Wasserverbrauch, Abfallmanagement und CO2-Emissionen kontinuierlich überwacht werden. Auf Basis dieser Daten können Maßnahmen zur Energieeffizienz, Wassereinsparung und Abfallreduzierung ergriffen werden. Die CAFM-Software erleichtert auch die Verwaltung von Zertifizierungen wie LEED (Leadership in Energy and Environmental Design) oder BREEAM (Building Research Establishment Environmental Assessment Method).
Zur Unterstützung sozialer Aspekte ermöglicht CAFM-Software eine bessere Verwaltung von Arbeitsplatzressourcen, Arbeitsplatzsicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz. Die Governance von Immobilien umfasst die richtige Verwaltung und Dokumentation von Verträgen, Mietverhältnissen, Compliance-Standards und Sicherheitsrichtlinien. Auch das kann gut mit CAFM abgedeckt werden.
Praxisbeispiel SWSG Stuttgart
Wie der Einsatz im Sinne der ESG-Kriterien erfolgen kann, zeigt die Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft (SWSG). „Zur Erreichung unserer Klimaziele setzen wir in unterschiedlichen Handlungsfeldern, also im Bereich des Neubaus, der Modernisierung, der Energieversorgung und der Nutzerorientierung, verschiedene Maßnahmen um“, erklärt Saskia Bodemer-Stachelski von der SWSG.
Man bewerte alle Maßnahmen immer im Gesamtkontext. Entscheidungen würden dabei stets im Sinne der ökologischen Nachhaltigkeit unter Abwägung der damit verbundenen Konsequenzen getroffen. Eine Maßnahme sei der Einsatz von Energiemanagementsystemen.
So errichtet die SWSG am Prießnitzweg in Stuttgart-Bad Cannstatt 330 neue Wohnungen für Mitarbeiter des Klinikums Stuttgart in nachhaltiger Holzmodulbauweise. Das Energie-Plus-Quartier mit der Energieeffizienzklasse 40 Plus erzeugt im Jahresmittel einen Energieüberschuss aus regenerativen Quellen. Dies wird durch eine effiziente Energieerzeugung auf Basis von Sole-Wasser-Wärmepumpen, Photovoltaikmodulen und Solarhybridkollektoren erreicht. Zusätzlich ist eine Lüftungsanlage installiert, die die Wärme aus der Abluft über zentrale Abluftwärmepumpen zurückgewinnt und in das Heizsystem einspeist.
Transparenz über das Zusammenspiel aller Komponenten
Um ein optimales Zusammenspiel zwischen der Wärme- und Stromerzeugung und dem Verbrauch in den Wohnungen zu erreichen, sind Wärme- und Stromspeicher in das Energieversorgungssystem integriert.
Entscheidend für einen ökonomisch und ökologisch optimierten Anlagenbetrieb ist ein umfassendes Energiemanagementsystem, das das Zusammenspiel der einzelnen Komponenten optimal aufeinander abstimmt. Im Energie-Plus-Quartier trägt das Energiemanagementsystem unter anderem dazu bei, den Stromverbrauch der Wärmepumpen zu minimieren und einen möglichst hohen Anteil an PV-Eigenstromnutzung sowohl am Stromverbrauch der Wärmepumpen als auch am Stromverbrauch der Nutzer zu erreichen.
Sensoren erfassen Energieströme in Bestandsgebäuden
Für ein Pilotprojekt zur intelligenten Heizungssteuerung in Bestandsgebäuden arbeitet die SWSG mit dem Energiedienstleister Kiona zusammen: 13 Bestandsgebäude der SWSG wurden im Frühjahr 2022 mit speziellen Sensoren zur intelligenten Heizungssteuerung ausgestattet. Gleichzeitig wurde der Außentemperaturfühler der Heizungsanlage durch einen intelligenten Fühler ersetzt. Dieser misst nicht nur die Außentemperatur, sondern bezieht beispielsweise die aktuelle Wettervorhersage, die Sonneneinstrahlung auf das Gebäude und die durchschnittliche Temperatur im Gebäude mit ein. Diese Faktoren ermöglichen eine genauere und effizientere Steuerung der Heizungsanlage in den einzelnen Wohnungen der SWSG-Mieter.
Insbesondere in den Übergangszeiten lassen sich mit der intelligenten Heizungssteuerung von Kiona Energieeinsparungen gegenüber konventionellen, rein außentemperaturgeführten Heizungsanlagen erzielen. „Trotz angepasster, optimierter Energiezufuhr müssen die Mieter nicht auf ihr Wohlfühlklima verzichten, denn die Heizungen können nach wie vor individuell gesteuert und justiert werden – nur eben intelligent und bedarfsorientiert, sodass am Ende noch Kosten gespart werden“, so Bodemer-Stachelski.
Lesen Sie auch das nachfolgende Interview mit Samuel Billot, Chief Product Officer bei metr Building Management Systems GmbH.
Die neue ESG-Verordnung
Am 10. März 2021 wurde die Offenlegungsverordnung der Europäischen Union zu Nachhaltigkeitskriterien, auch bekannt als ESG-Verordnung, wirksam. Ab dem 1. Januar 2022 trat eine Verpflichtung zur Offenlegung von Informationen bezüglich "Klimaschutz" und "Anpassung an den Klimawandel" in Kraft. Seit dem 1. Januar 2023 sind Unternehmen zusätzlich zur Offenlegung von weiteren Umweltzielen verpflichtet.
Die ESG-Verordnung richtet sich vorrangig an Unternehmen aus dem Finanz- und Immobiliensektor. Ihr Hauptziel besteht darin, ein einheitliches Verständnis dafür zu schaffen, welche wirtschaftlichen Aktivitäten tatsächlich als ökologisch nachhaltig betrachtet werden können. Sie vereint nationale Kennzeichnungssysteme und zwingt Unternehmen dazu, Nachhaltigkeit als zentrales und transparentes Kriterium in ihre Geschäftspraktiken zu integrieren. Auch die Wohnungswirtschaft ist dazu angehalten, die ESG-Kriterien zu berücksichtigen. Bereits seit 2021 müssen neu errichtete Gebäude verschiedene nachhaltige Kriterien erfüllen. Insbesondere der Primärenergiebedarf eines Gebäudes muss um mindestens zehn Prozent unter den nationalen Anforderungen für ein Niedrigstenergiegebäude liegen, was in Deutschland etwa dem KfW-40-Standard entspricht. Hierfür können Maßnahmen wie Luftdichtheitsprüfungen und Thermografien genutzt werden. Diese Anforderungen werden in Zukunft auch für Sanierungsprojekte gelten.
Quelle: stolp+friends
Förderung für klimaneutralen Gebäudebestand
Die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) stellt finanzielle Unterstützung für die Umsetzung von Sanierungsmaßnahmen in Wohn- und Nicht-Wohngebäuden bereit. Die Förderung erfolgt in vier Hauptkategorien: Gebäudehülle, Anlagentechnik (ausgenommen Heizung), Wärmeerzeugungsanlagen (Heizungstechnik) und Heizungsoptimierung. Die Palette der förderfähigen Maßnahmen erstreckt sich von Dämmungen und dem Austausch von Fenstern bis hin zu neuen Lüftungsanlagen, Kältetechnik, Wärmepumpen und Innenbeleuchtungssystemen sowie dem Ersatz bestehender Heizungsanlagen.
Die Förderung erfolgt zu unterschiedlichen Sätzen, und sowohl Unternehmen als auch Contractoren haben die Möglichkeit, die Fördermittel zu beantragen. Es ist wichtig, den Antrag vor der Vergabe von Aufträgen für Lieferungen oder Dienstleistungen einzureichen. Bei Maßnahmen an der Gebäudehülle, der Anlagentechnik (außer Heizung) sowie bei Projekten zur Errichtung, Umbau oder Erweiterung eines Gebäudenetzes ist die Inanspruchnahme eines Energieeffizienz-Experten, der beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) registriert ist, erforderlich. Der Prozess zur Beantragung der Förderung verläuft komplett online und die Bearbeitung dauert in der Regel bis zu sieben Wochen nach Einreichung des Antrags beim BAFA.
Zusätzlich dazu trat am 1. Mai 2023 die überarbeitete Richtlinie des Förderprogramms "Bundesförderung Energie- und Ressourceneffizienz" (EEW) in Kraft, von der auch Immobilienunternehmen profitieren können. Diese Aktualisierung bringt Verbesserungen in Bezug auf die Förderung von Maßnahmen im Bereich tiefe Geothermie und Wärmedämmung mit sich.
Mehr unter www.bafa.de
Frank Urbansky
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