Vorschüsse nach einer Kündigung
Die Klägerin hatte der Beklagten in einem prominenten Düsseldorfer Bürohochhaus Räumlichkeiten im Erdgeschoss, dem ersten Ober- und im ersten Untergeschoss zum Betrieb eines Restaurants vermietet. Der vereinbarte Mietzins lag bei rund 7.000 Euro monatlich, wobei die Parteien für die ersten neun Monate vereinbart hatten, dass keine Kaltmiete zu zahlen war. Nachdem es offenbar Schwierigkeiten mit der Fertigstellung der Räumlichkeiten gab, vereinbarten die Parteien, dass die Beklagte erst ab einem späteren Zeitpunkt die vollständige Miete zahlen müsse. Kurze Zeit später geriet die Beklagte mit den Mietzahlungen immer wieder in Rückstand, weshalb die Klägerin das Mietverhältnis etwa ein Jahr später außerordentlich und fristlos kündigte und die Beklagte auf Zahlung der ausstehenden Miete einschließlich der Betriebskostenvorauszahlungen in Anspruch nahm. Die Beklagte argumentierte dagegen, nach der fristlosen Kündigung der Klägerin schulde sie keine Betriebskostenvorauszahlungen mehr. Im Übrigen habe die Klägerin bereits über die Betriebskosten aus dem vorvergangenen Jahr nicht abgerechnet. Die Abrechnungsfrist sei abgelaufen.
LG Düsseldorf, Urteil vom 15. Februar 2023 – 23 O 70/22
Das Landgericht gab der Klägerin zwar im Wesentlichen recht und verurteilte die Beklagte zur Zahlung der ausstehenden Miete, nicht aber zur Zahlung weiterer Betriebskostenvorschüsse. Das Gericht weist darauf hin, dass sich der Anspruch auf die Kaltmiete und die Nebenkostenvorauszahlung zunächst aus dem Mietvertrag i. V. m. § 535 Abs. 2 BGB ergibt. Dass die Beklagte mit einem erheblichen Teil der Miete im Verzug war, war zwischen den Parteien unstreitig. Infolgedessen hat die außerordentliche und fristlose Kündigung der Klägerin das Mietverhältnis auch wirksam beendet. Soweit der Mieter trotz der wirksamen Kündigungen zunächst das Mietobjekt weiter im Besitz hat, ergibt sich ein Zahlungsanspruch grundsätzlich aus § 546 a Abs. 1 BGB. Danach kann der Vermieter als Entschädigung die vereinbarte Miete verlangen, wenn der Mieter die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses nicht zurückgibt. Zur vereinbarten Miete gehört nicht nur die Kaltmiete, sondern auch die Nebenkosten. Insofern wäre die Beklagte eigentlich zur Zahlung der vollen von der Klägerin geltend gemachten Summe zu verurteilen gewesen.
Etwas anderes ergibt sich aus dem Umstand, dass die Klägerin über die Nebenkostenvorauszahlungen aus dem vorvergangenen Jahr noch immer nicht abgerechnet hat. Nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 27. Januar 2010 – XII ZR 22/07) gilt die Regelung des § 556 Abs. 3 S. 3 BGB nicht für Gewerberaummietverhältnisse. Nach § 556 Abs. 3 BGB hat der Vermieter über die Betriebskosten jährlich abzurechnen. Die Abrechnung ist dem Mieter spätestens bis zum Ablauf des 12. Monats nach Ende des Abrechnungszeitraums mitzuteilen. Nach Ablauf dieser Jahresfrist kann der Vermieter keine Nachforderungen hinsichtlich der Betriebskosten mehr geltend machen. Diese Ausschlussfrist gilt nur für die Wohnraummiete, nicht aber für Gewerberaummietverhältnisse, weil diese Vorschrift in § 578 BGB nicht aufgeführt ist. § 578 BGB legt fest, welche der Vorschriften aus dem Wohnraummietrecht auch für Gewerbeverhältnisse gelten.
Dennoch ist der BGH der Ansicht, dass auch der Vermieter von Geschäftsräumen verpflichtet ist, in angemessener Frist über die Vorschüsse zu den Betriebskosten abzurechnen. Ebenso wenig wie der Vermieter verpflichtet ist, die Betriebskosten des Mieters vorzufinanzieren, ist der Mieter verpflichtet, dem Vermieter durch überzahlte Vorschüsse eine Art zinsloses Darlehen einzuräumen. Über die Vorschusszahlungen zu den Betriebskosten ist deshalb unter normalen Umständen innerhalb eines Jahres abzurechnen. Nach Ablauf dieses Abrechnungsjahres sind zwar Nachforderungen des Vermieters nicht ausgeschlossen, aber es gibt keine Verpflichtung des Mieters mehr, noch weitere Vorauszahlungen zu leisten.
Da die Klägerin über die Betriebskostenvorschüsse nicht binnen Jahresfrist abgerechnet hat, kann sie zwar als Vermieterin von Gewerberaum die Abrechnung noch nachholen und auch eventuelle Zahlungen nachfordern, aber nicht für den laufenden Zeitraum weitere Vorschusszahlungen verlangen. Deshalb hat das Landgericht den Zahlungsanspruch der Klägerin um die Betriebskostenvorauszahlungen aus dem aktuellen Abrechnungszeitraum gekürzt.
Konsequenzen
Das Landgericht wendet die Rechtsprechung des BGH zu den Betriebskostenvorauszahlungen im Gewerberaummietrecht auf einen recht einfach gelagerten Fall an. Die Bedeutung dieser Rechtsprechung wird deutlich, wenn man sich die Verteilung des Insolvenzrisikos betrachtet. Je länger der Mieter Betriebskostenvorauszahlungen leistet, ohne eine Abrechnung des Vermieters zu erhalten, desto mehr steigt für beide Seiten das Risiko, im Falle einer Insolvenz einer Vertragspartei mit Nachzahlungsansprüchen oder mit Rückforderungsansprüchen auszufallen. Deshalb entspricht es dem Interesse beider Seiten, in angemessener Zeit über Vorauszahlungen abzurechnen und sozusagen „von vorne“ zu beginnen.
Praxistipp
Über die Betriebskostenvorauszahlungen des Mieters muss kurzfristig abgerechnet werden. Unter normalen Umständen sollte eine Abrechnung binnen Jahresfrist möglich sein. Ist absehbar, dass diese Frist nicht zu halten ist, sollten die Gründe dafür (z. B. verspätete Abrechnungen von Energieversorgern oder Finanzämtern) sorgfältig dokumentiert werden, weil sich dann die für eine Abrechnung angemessene Frist verlängert. Des Weiteren sollte der Mieter über diese Umstände informiert werden, um dem Eindruck entgegenzuwirken, der Vermieter verzichte auf eventuelle Nachforderungen.
Dr. Jonas Müller
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