Digitale Lösungen von Start-ups

Klassische WEG-Verwaltungen sind gefordert

... um nicht überflüssig zu werden. Digitale Einzellösungen, die Immobilienverwaltern die tägliche Arbeit erleichtern sollen, gibt es mittlerweile zuhauf – von der Organisation der Mieterkommunikation bis hin zum digitalen Schließsystem und Abrechnungsanwendungen. Doch: Machen PropTechs mit ihrem ständig wachsenden Angebot klassische Wohnungsverwalter bald überflüssig?

FOTOLIA/ baranq
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PropTechs sind Treiber der Digitalisierung

Recherchen der IVV ergaben, dass es ein Weitermachen wie bisher nicht geben wird. WEG-Verwaltungen kommen an Investitionen in maßgeschneiderte Software-Lösungen nicht herum, wenn sie konkurrenzfähig bleiben wollen. Die Eier-legende-Wollmilchsau, die alle Bedürfnisse befriedigt, gibt es allerdings im Moment noch nicht. Doch umfassende Lösungen sind in Sicht.

Da die aktuelle Lage auf dem Markt unübersichtlich ist, profitieren Tech-Beratungsfirmen, die sich darauf spezialisiert haben, im Auftrag von Immobilienverwaltern individuelle Lösungen zu recherchieren. Dr. Simone Planinsek, Leiterin des Bereichs Innovationsmanagement bei der Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte/Wohnstadt hat sich zum Beispiel bei der Suche nach neuen Digital-Produkten im Vorfeld Unterstützung bei dem Start-up Ambivation geholt, das sich auf Start-up Scouting spezialisiert hat und Wohnungsverwaltungen gezielt eine Auswahl der für sie relevantesten Start-ups vorschlägt. Christoph Baier, Geschäftsführer von Ambivation: „Start-ups können helfen, Innovationen im eigenen Unternehmen voranzutreiben. Doch junge Unternehmen zu finden, die die Aufgaben kompetent, schnell und kostengünstig lösen, braucht seine Zeit. Wir identifizieren für unsere Kunden passgenaue Ansprechpartner,“ so Baier.

Studie:  PropTechs sind erwachsen geworden

Die aktuelle Proptech Germany Studie des Instituts für Immobilienwirtschaft und -management (IWIWM) an der technischen Hochschule (TU) Aschaffenburg, der Brickalize GmbH und der Blackprintpartners GmbH geht davon aus, dass die Angebotspalette der jungen Unternehmen in den kommenden Jahren immer differenzierter werde: „Die PropTechs sind erwachsen geworden“, heißt es im Fazit. Dass die PropTechs als Treiber der Digitalisierung gleichzeitig immer relevanter werden, bestätigt die Jahresstatistik: Die Mitarbeiterzahlen haben sich mindestens verdreifacht, es gibt ein deutliches Plus beim Neugeschäft.

Die Herausforderung der PropTechs in den nächsten Jahren wird in der Entwicklung von Gesamtlösungen bestehen.
Beispiele für PropTech-Lösungen, die Lust auf mehr machen.

In diese Lücke will zum Beispiel das Start-up Home stoßen: Künftig übernimmt das Unternehmen die Verwaltung von vermieteten Wohnungen und kümmert sich nach einer Kündigung auch um die Neuvermietung. Bislang bot Home diesen Service lediglich für leer stehende Wohnungen an.

Das Unternehmen EverReal sieht sich bereits auf der Ziellinie: Auf der Website wirbt das Unternehmen damit, mit „vielen durchdachten Funktionen und helfenden Automatisierungen“ rund 80 Prozent der zeitintensiven Routineaufgaben beim Mieterwechsel und im Verkauf von Immobilien abzunehmen.

Eine „digitale Rundumlösung“ verspricht das Startup Scalara mit Gründerin Shari Heep in Form einer „bezahlbaren und leicht zu handhabenden Lösung“ mit nur einem Tool, mit dem die komplette Verwaltung, Bewirtschaftung und Kommunikation rund um eine Immobilie abgewickelt werden soll. Die studierte IT- und IP-Juristin kommt selber aus einer Hausverwalter-Familie und geht mit persönlicher Motivation ran: Sie habe, so sagt sie auf der Firmen-Website, “selbst erlebt, dass Hausverwalter ein massives Wertschätzungsproblem haben". Denn obwohl sie der Treuhänder des Eigentümers sind und vielfältige, verantwortungsvolle Aufgaben übernehmen, kommt das bei ihren Kunden einfach nicht an. Ihre Rolle wird in der gesamten Immobilienwirtschaft stark unterschätzt. Diese mangelnde Wertschätzung spiegelt sich in einer sehr geringen Vergütung wider, schreibt die Gründerin. Deshalb liegt das Augenmerk der Gründerin vor allem auf Anwenderfreundlichkeit, was wiederum mehr Effizienz bringen soll.

Die technikaffine Erbengeneration hat das 2020 gegründete Start-Up Objego im Blick. Entwickelt wurde eine Software für private Vermieter. Dazu gehören ein digitaler Speicher von Mietverträgen, eine Schnittstelle zum Konto, eine automatisierte Erstellung der Nebenkosten.  „Als PropTech Joint Venture des Energiedienstleisters ista und der Aareal Bank arbeiten wir an einer cloud-basierten Plattform zur Immobilienverwaltung, mit dem Ziel, den gesamten Lebenszyklus einer Immobilie digital abzubilden. Dabei können Kunden durch Feedback mitentscheiden, wie sich die Software entwickelt. So konzentrieren wir uns auf die Funktionen, die private Vermieter wirklich brauchen“, sagt Geschäftsführer Philip Rodowski.

Einen neuen Weg bei der Wohnungssuche will Immomio gehen: Immomio ist ein Portal für die Wohnungssuche und Bewerbung. Anders als bei klassischen Immobilienportalen muss man bei Immomio nicht aktiv nach Wohnungen suchen, sondern erhält Vorschläge direkt von Vermietern. „Dabei behalten Sie die Kontrolle über Ihre Daten, indem Ihr Profil schrittweise, je nach Bewerbungsphase freigegeben wird“, heißt es beim jungen Anbieter aus Hamburg.

Für viele Start-ups war die Coronazeit so etwas wie ein Turbo: „Im März sind die Nutzungszahlen bei uns explodiert“, sagt Oliver Stamm, Mitgründer des Münchener Start-ups Casavi. Casavi hat eine Softwareplattform entwickelt, mit der Hausverwaltungen und Wohnungsunternehmen schon in der Neubauphase und dann später im Betrieb mit den Mietern oder Käufern sowie Dienstleistern wie Handwerkern kommunizieren, Termine organisieren, Dokumente in einer App bereitstellen und zum Beispiel Abrechnungen automatisch verschicken können. Zu den Kunden gehören inzwischen 620 Immobilienverwalter und Wohnungsgesellschaften, die 1,6 Millionen Einheiten verwalten.

Kooperation des GdW mit ProTech Spiri.Bo

In der Wohnungswirtschaft geht man aktuell von einem Digitalisierungsgrad von 55 Prozent auf dem Weg in die digitale Zukunft aus. Zu den Schwerpunkten gehören Ablesetechnik, digitale Wohnungsübergaben und -abnahmen, Haus- und Wohnungszugänge, Smart-Home-Komponenten und andere Dinge. >> Mehr Digitalisierung, mehr Nachhaltigkeit, mehr Kundenservice

Um der Wohnungswirtschaft selber für die wachsenden Herausforderungen eine Plattform anzubieten, haben sich der GdW und Spiri.Bo, ein Pro Tech Unternehmen für den digitalen Mieterservice, zusammen getan. Hier können Vermieter und Verwalter Stamm- und Vertragsdaten verwalten. Es können Dokumente und Formulare zentral abgelegt werden. Schadensmeldungen sollen eingegeben werden können und von der Anlaufstelle weiterverarbeitet werden oder zum Beispiel Verbrauchsdaten gemeldet und verwaltet werden. Spiri.Bo ist eine digitale Home-Service-Plattform und Mieter-App. Das gleichnamige Start-up ist eine Tochter der meravis Immobiliengruppe aus Hannover.

Autorin: Christina Hövener-Hetz

Informationen:

Everreal, Everreal.de
Objego,
Objego.de
Ambivation, Ambivation.de
Matera, Matera.eu
Scalara, Scalara.de
Spiri.Bo GmbH, Spiri.bo

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