Homeoffice könnte zwölf Millionen Quadratmeter Bürofläche leeren
Das ist das zentrale Ergebnis einer gemeinsamen Studie des ifo Instituts mit dem Immobilienberater Colliers unter dem Titel „Neue Arbeitswelt. Neue Arbeitsorte: Auswirkungen von Homeoffice auf den Büroimmobilienmarkt“. Die Studie verknüpft erstmalig die Daten der Homeoffice-Umfragen des ifo Instituts unter 9.000 Unternehmen mit anonymisierten Bürovermietungen zwischen 2013 und 2023 aus der Datenbank von Colliers. Die Daten wurden dem ifo Institut für dieses Projekt von Colliers unentgeltlich zur Verfügung gestellt.
Corona hat Homeoffice-Quote verfünffacht
Vor der Corona-Pandemie habe die durchschnittliche Homeoffice-Quote unter Beschäftigten in Deutschland noch bei rund fünf Prozent gelegen. Heute verbrächten im Durchschnitt rund 25 Prozent der Beschäftigten ihre Arbeitszeit im Homeoffice. Im Spannungsfeld zwischen Normalisierung und Rückabwicklung von Homeoffice-Angeboten hätten sich in den meisten Unternehmen hybride Arbeitsmodelle etabliert, denn nur sieben Prozent aller Beschäftigten arbeiten vollständig im Homeoffice. Diese hybriden Arbeitsmodelle seien weiter auf Büroflächen angewiesen, die heute über mehr kommunikative Flächen zur Teamarbeit und zum informellen Austausch unter Mitarbeitern verfügen müssten. Vor der Corona-Pandemie war die New Work-Fähigkeit von Büroflächen für nur fünf Prozent aller Unternehmen das wichtigste Kriterium zur Anmietung. Nach der Corona-Pandemie sei dieser Wert auf 33 Prozent gestiegen.
New Work-Büros lassen sich besser vermieten
„Auf dem deutschen Büromarkt gibt es zurzeit eine deutliche Spreizung des Angebotes. Moderne Flächen in guten Lagen, die New Work Anforderungen erfüllen, erfahren eine hohe Nachfrage bei Unternehmen und entsprechende Mietpreissteigerungen. Flächen, auf denen sich die neue Arbeitswelt nicht abbilden lässt, haben es in der Vermarktung eher schwer“, sagt Cem Ergüney, Head of Office Letting bei Colliers in Deutschland.
„Inzwischen bieten 69 Prozent der Unternehmen in Deutschland Homeoffice-Regelungen an, in den Großunternehmen sind es sogar 87 Prozent. Nach der Corona-Pandemie hat sich aber auch gezeigt, wie wertvoll das kollaborative Arbeiten im Büro ist. Mit den neuen strukturiert hybriden Arbeitsmodellen hat sich so eine Form etabliert, der die Zukunft gehört, weil sie bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern eine hohe Akzeptanz erfährt und die notwendige Produktivität ermöglicht“, sagt Simon Krause, Studienautor vom ifo Institut.
60 Prozent der Büroimmobilien sind betroffen
Büromietverträge haben in Deutschland eine durchschnittliche Laufzeit von rund sieben Jahren. Deshalb wirke sich der Homeoffice-Effekt mit spürbarer Verzögerung auf den Markt für Büroflächen aus, weil nur etwa 15 Prozent aller Mietverträge pro Jahr erneuert werden. Insgesamt gehen Colliers und das ifo Institut in ihrer Analyse davon aus, dass 60 Prozent aller Büroimmobilien in Deutschland vom Homeoffice-Effekt betroffen sind und dass Unternehmen in diesen Immobilien ihre Flächen im Durchschnitt um 20 Prozent reduzieren werden.
„Die perspektivische Reduktion der Bürokapazitäten um zwölf Prozent ist ein Stresstest für Vermieter und Investoren, aber die Anlageklasse wird diese Herausforderung mit Sicherheit meistern und sich erfolgreich neu ausrichten“, sagt Andreas Trumpp, Head of Market Intelligence & Foresight bei Colliers in Deutschland.
Interessenten können die gemeinsame Studie von ifo-Institut und Colliers hier kostenlos herunterladen.
Wachsende Wirtschaft wird mehr Büroflächen erfordern
Von einer weitgehenden Stabilität des Büroimmobilienmarktes geht indessen Prof. Günter Vornholz (ImmobilienResearch Vornholz GmbH) aus, weil die Zahl der Menschen, die in Büros arbeiten, weiter zunehmen werde. In seiner jüngsten Analyse „Büroimmobilien – Homeoffice – Konjunktur“ kommt Vornholz zu folgenden Schlüssen:
- "Trotz Homeoffice und flexiblen Arbeitsplatzkonzepten stieg die Inanspruchnahme von Büroflächen in Deutschland leicht. So konnte die von den Unternehmen verwendete Bürofläche im Jahr 2023 auch um rund 250.000 Quadratmeter gesteigert werden.
- Büroimmobilien werden auch zukünftig weiterhin benötigt und durch Homeoffice kam es nicht zu einem Einbruch der Nachfrage. Weitere negative Auswirkungen durch Homeoffice sind eher nicht zu erwarten, da Unternehmen schon vielfach reagiert haben oder es auch nicht planen."
Entwicklung des Büroimmobilienmarktes
An den wichtigsten deutschen Bürostandorten (7 A-Städte) sei es in den vergangenen Jahren zu einem stetigen Anstieg des Büroflächenbestandes. Auch bei der von den Unternehmen benutzten Fläche (d. h. Bestand minus Leerstand) sei ein kontinuierliches Wachstum zu verzeichnen. Die Bürofläche sei gegenüber dem Jahr 2005 um knapp 20 Prozent angestiegen und die von den Unternehmen genutzte Fläche um fast 25 Prozent.
Bei einer gesamten Bürofläche in den 7 A-Städten von rund 98 Millionen Quadratmeter waren im Jahr 2023 gut 92 Millionen Quadratmeter belegt. Dabei konnte die von den Unternehmen verwendete Bürofläche (selbstgenutzte und gemietete) im Jahr 2023 auch um rund 250.000 Quadratmeter gesteigert werden. Gleichzeitig standen ungefähr 5,6 Millionen Quadratmeter leer.
Der Büroflächenbestand sei in den letzten Jahren aufgrund der jährlich gestiegenen Fertigstellungen kontinuierlich angestiegen. Die Ursachen für den Anstieg des Büroflächenbestandes lassen sich, so Prof. Vornholz, auf eine kontinuierlich Nachfragesteigerung zurückführen.
Erstens werde die Nachfrage nach Büroimmobilien durch die konjunkturelle Entwicklung (Bruttoinlandsprodukt, BIP) bzw. auch die erwartete wirtschaftliche Entwicklung bestimmt. Die Entwicklung des BIP wirke direkt auf die Nachfrage nach Büroimmobilien, da eine wachsende Wirtschaft auch einen höheren Bedarf an Bürobeschäftigten zur Folge hat. Mit einer zeitlichen Verzögerung nehme dann auch die Nachfrage nach Büroimmobilien zu. Die wirtschaftliche Entwicklung und die Nachfrage nach Büroimmobilien wiesen eine hohe Korrelation auf, da der Flächenbedarf sich direkt an den Konjunkturverlauf anpasse. Neben diesen Faktoren hänge die Nachfrage der Marktteilnehmer nach Büroimmobilien auch von deren Erwartungen hinsichtlich der weiteren konjunkturellen Entwicklung der Gesamtwirtschaft ab. Optimistische Erwartungen beeinflussten die Nachfrage positiv, betont Immobilienökonom Vornholz.