WEGs fühlen sich verloren im Förderdschungel
Fast ein Viertel aller Wohnungen in Deutschland – immerhin rund zehn Millionen Einheiten – sind in der Hand von Eigentümergemeinschaften. Die bloße Zahl macht deutlich, dass mehr Klimaschutz ohne diese große Eigentümergruppe kaum möglich sein dürfte. Dennoch ist die Quote der energetischen Gebäudesanierung im Vergleich zu Wohnungsunternehmen verschwindend gering. WiE-Geschäftsführerin Gabriele Heinrich nannte auf einer Online-Pressekonferenz ein paar Zahlen aus einer Bundestags-Drucksache, die von der staatlichen KfW-Bank veröffentlicht worden seien.
Nur 1,57 Prozent aller Anträge für eine Bundesförderung für effiziente Gebäude Einzelmaßnahmen (BEG EM) seien von Wohnungseigentümergemeinschaften (WEGs) gestellt worden, und nur 0,9 Prozent aller Zusagen für eine Sanierungsförderung der KfW im Jahr 2022 hätten WEGs erhalten. Dies trotz der gestiegenen Strom-, Öl- und Gaspreise.
Niemand findet Informationen für Sanierungs-Beschlüsse
Wohnen im Eigentum wollte wissen, welche Ursachen diese Zurückhaltung bei der Inanspruchnahme von Förderungen hat und stellte online die Frage: „Sind die Beratungsangebote und Förderprogramme zur Energiewende so gut, dass Sie in ihrer WEG Sanierungs-Beschlüsse fassen können?“ Die eindeutige Antwort lautete: Nein! 62 Prozent fühlen sich nicht und 30 Prozent nur teilweise informiert. Gerade einmal 8 Prozent halten sich für gut beraten und aufgeklärt.
Auf die Frage, was ihnen fehlt, damit sie in Eigentümerversammlungen Beschlüsse fassen und die Kostenverteilung regeln können, geben 70 Prozent an, dass ihnen grundlegende Informationen fehlen, 69 Prozent benötigen Energieberatungsangebote speziell für WEGs, 60 Prozent wünschen sich spezielle Förderprogramme für WEGs, 52 Prozent Unterstützung bei der Erstellung von Erhaltungs- und Sanierungsfahrplänen inklusive Finanzierungsplänen, 49 Prozent energetische Rechtsberatung für WEGs innerhalb und außerhalb der Eigentümerversammlung.
Quellen im Netz sind veraltet und oberflächlich
Die Antworten fasst die WiE-Vorsitzende Gabriele Heinrich so zusammen: „Es fehlen allerorts Informationen und Programme mit dem Zusatz ‚speziell für WEGs‘. So kommen die WEGs nicht voran.“
Auf die Frage der IVV-Redaktion, ob Informationsquellen für WEGs tatsächlich fehlen oder ob diese nicht wissen, wo sie zu finden sind, erklärte WiE-Rechtsreferent Michael Nack, dass Informationen im Internet meist auf Eigenheimbesitzer zugeschnitten und für Wohnungseigentümer nur sehr spärlich und nur auf Unterseiten zu finden seien. Obendrein seien die Quellen häufig veraltet oder von oberflächlicher Qualität.
Befragung mit hoher Beteiligung
An der Umfrage haben 2.694 Wohnungseigentümer aus 2.349 WEGs mit insgesamt 92.580 Wohnungen aus dem gesamten Bundesgebiet teilgenommen. Die Teilnehmenden sind Eigentümer in WEGs mit zwei Wohnungen bis hin zu WEGs mit 1.969 Wohnungen. Die Baujahre der Wohnanlagen überspannen Jahrzehnte. 47 Prozent der WEGs wurden vor der ersten Wärmeschutzverordnung 1977 errichtet, weitere 34 Prozent vor der ersten Energieeinsparverordnung 2020.
Über 1.000 Wünsche und Vorschläge
Neben Frage nach der Qualität der Beratungsangebote hatten die Umfrageteilnehmer auch Gelegenheit, Wünsche nach einer umfassenden Unterstützung zu formulieren. Aus 1.024 Antworten mit kurzen Kommentaren bis hin zu ausführlichen Zustandsbeschreibungen der WEGs werde sehr deutlich: Durchgehend sei eine Überforderung der Wohnungseigentümer zu erkennen und eine allgemeine Verunsicherung festzustellen. Sie befürchteten, dass die Eigentümerversammlung gar keine oder eine falsche Entscheidung trifft.
Auf die offene Frage nach fehlenden Unterstützungsangeboten nannten die Teilnehmer unter anderem:
- Websites aus vertrauenswürdiger Quelle, in der alle wichtigen Informationen für Wohnungseigentümer zur Energiewende enthalten sind.
- „Werkzeuge“ speziell für WEGs und Eigentümer (Muster-Beschlussanträge etc.)
- Energie- und Rechtsberatungsangebote, auch Steuerberatung
- KfW-Förderprogramme speziell für Wohnungseigentümer und WEGs
- Planungs- und Prozessbegleitungen bei komplexen energetischen Sanierungen
- Übertragbare Best-Practice-Beispiele aus anderen WEGs
- Schulungen für Beiräte und „Kümmerer“
Ohne auf WEGs zugeschnittene Angebote geht es nicht
Wohnen im Eigentum kommt zu dem Schluss, dass eine große Anzahl an Wohnungseigentümern interessiert sei an Sanierungsthemen und bereits initiativ geworden sei. Die Umfrageergebnisse dokumentierten außerdem: Wohnungseigentümer hätten es deutlich schwerer als Eigenheimbesitzer, energetische Sanierungen und erneuerbare Energien in ihrem Immobilieneigentum auf den Weg zu bringen und umzusetzen. Angesichts der vielen Hürden und Handicaps benötigen sie viel Unterstützung, Motivationsanreize, Fördermittel, die sie aber bisher nicht erhalten. „Sie brauchen Sonderberatungen, Sonderfördertöpfe und weitere Sonderbehandlungen - immer ausgerichtet auf ihre spezielle Situation und die ihrer WEG“, so Gabriele Heinrich. „Wohnen im Eigentum setzt darauf, dass die Hilferufe der Wohnungseigentümer jetzt im Jahr 2022 endlich Gehör finden und ihre berechtigten Forderungen realisiert werden. Denn fest stehe: Ohne die Wohnungseigentümer werde es keine Klimawende geben. (Red.)