Ein faktischer Baustopp für das Effizienzgebäude 55
Der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW reagiert fassungslos und kritisiert: „So wird klimaschonendes und soziales Bauen ausgebremst.“ Dieser Schritt sei komplett unverständlich und unsozial. Denn ohne diese Förderung werde das Wohnen mit erhöhtem Klimastandard für viele Menschen in Deutschland unbezahlbar“, sagt GdW-Präsident Axel Gedaschko.
Die Bundesregierung hatte am 22. September 2021 beschlossen, die für die Gebäudeförderung bereitgestellten Mittel für 2021 nochmals um 11,5 Milliarden Euro auf insgesamt bis zu 18 Milliarden Euro zu erhöhen. Gleichzeitig aber auch, die bestehende Fördersystematik der BEG mit Blick auf die Fördereffizienz hin zu überprüfen und anzupassen. Vorhandene Fördermittel sollen nach Aussage der Regierung gezielt dort eingesetzt werden, wo Treibhausgas-Minderungen zur Erreichung der Sektorziele am Notwendigsten sind. Dass die Förderung des Standards KFW-55 vollständig eingestellt wird, so der GdW, sei nicht nachvollziehbar, denn man hätte die Förderhöhe auch reduzieren können. Die komplette Einstellung der Förderung bedeute faktisch einen Neubaustopp im Mietwohnungsbau, denn der höhere Effizienzstandard könne nur über höhere Mieten realisiert werden und diese seien im bezahlbaren Segment nicht erzielbar.
Förderanträge noch vor dem 31. Januar stellen
Die Bundesregierung habe zugesagt, dass Anträge für das Effizienzhaus/-gebäude 55 im Neubau noch bis 31. Januar 2022 gestellt werden können, wobei das Datum der Antragstellung maßgeblich ist. Die EE-Klassen (Effizienzhaus/-gebäude 55 EE) und die Nachhaltigkeits-Klasse (Effizienzhaus 55 NH) werden ebenfalls eingestellt. Das Effizienzgebäude 55 NH wird für den Neubau nicht eingeführt.
BEG wir erst seit wenigen Monaten praktiziert
Mit der „Bundesförderung für effiziente Gebäude“ (BEG), einem Kernelement des nationalen Klimaschutzprogramms 2030, hat die Bundesregierung ab 2021 ihre energetische Gebäudeförderung neu strukturiert. Gleichzeitig wurden die zur Verfügung stehenden Mittel angehoben. Die BEG ersetzt das CO2-Gebäudesanierungsprogramm (Programme Energieeffizient Bauen und Sanieren), das Programm zur Heizungsoptimierung (HZO), das Anreizprogramm Energieeffizienz (APEE) und das Marktanreizprogramm zur Nutzung Erneuerbarer Energien im Wärmemarkt (MAP).
Im Rahmen der Bundesförderung für effiziente Gebäude sind folgende Einzelmaßnahmen für Bestandswohngebäude und Nichtwohngebäude förderfähig:
- Einzelmaßnahmen an der Gebäudehülle
- Anlagentechnik (außer Heizung)
- Anlagen zur Wärmeerzeugung (Heizungstechnik)
- Heizungsoptimierung
- Fachplanung und Baubegleitung
Das BEG fördert neben der Sanierung bzw. dem Austausch alter, ineffizienter Heizungs- oder Beleuchtungsanlagen erstmalig auch Digitalisierungsmaßnahmen inkl. Steuerungs- und Regelungstechnologien.
Wohnungswirtschaft wird zum Spagat gezwungen
Auf der Expo Real im Oktober, also bevor das Ende der Förderung von Neubauten der Effizienzklasse 55 bekannt war, hatte die Wohnungswirtschaft dringend an die Politik appelliert, dass Klimaneutralität und sozialer Friede nur unter deutlich stärkerer staatlicher Förderung zu erreichen seien. Der GdW und die Initiative Wohnen.2050 stellten auf der Expo Real den ersten Praxisbericht „Gemeinsam. Handeln. Jetzt.“ zum Erreichen der geforderten Klimaneutralität vor. Tenor: Die Branche befindet sich in einem Spagat, aus dem sie sich nur mit massiver staatlicher Hilfe erheben könne. Ein Viertel mehr an CO2-Einsparungen, ein Sechstel weniger Zeit, gleichzeitig bezahlbaren Wohnraum erhalten und neu schaffen – die Transformation zur Klimaneutralität bis 2045 stelle selbst für engagierteste Wohnungsunternehmen eine immense Herausforderung dar. Um in nur noch 24 Jahren das im Pariser Klimaabkommen fixierte Kleiner-Zwei-Grad-Ziel und einen absolut klimaneutralen Gebäudebestand zu erreichen, müssten ab sofort jährlich über fünf Millionen Tonnen CO2 im Gebäudesektor eingespart werden. Eine Herkulesaufgabe für eine Branche, die üblicherweise in 40-Jahres-Zyklen investiert.
„Wir brauchen einen echten Paradigmenwechsel, um Klimaschutz und sozialen Frieden miteinander vereinen zu können: Damit die extrem ambitionierten Klimaziele beim Wohnen sozial verträglich umgesetzt werden können, brauchen wir ein neues, langfristiges Versprechen für bezahlbare Mieten. Dafür ist eine Klima-Förderung notwendig, die über die BEG-Förderung hinausgehend unterstützt, und im Gegenzug die Garantie eines bestimmten Mietniveaus beziehungsweise einer stark begrenzten Steigerung der Mietpreise einfordern darf. Nur so kann bezahlbares Wohnen dauerhaft für breite Schichten der Bevölkerung gesichert werden“, konstatierte Axel Gedaschko, Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW und Vorsitzender der Initiative Wohnen.2050 (IW.2050), bei der Präsentation des Praxisberichts auf der Expo Real in München.
Statt mehr Geld zu geben, hat das Bundeswirtschaftsministerium nun einen wichtigen Förderbaustein für den Neubau komplett beseitigt. (Red.)
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