„Endlich die Hürden für Mieterstrom radikal beseitigen“
Vermieter sollen bürokratiearm Photovoltaikanlagen installieren können
Der offene Brief ist an Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) gerichtet; unterschrieben haben ihn die Präsidenten des GdW, Haus & Grund Deutschland, des BFW Bundesverband und des Immobilienverbandes Deutschland IVD. Die Verbände fordern eine „radikale Vereinfachung der direkten Verwendung von lokal erzeugtem erneuerbaren Strom im Mietwohnungsbereich insgesamt – für Mieterstrom, Wärmepumpen, Hausbedarfsstrom und Elektromobilität.“ Parlament und Bundesregierung werden aufgefordert, einen Regelungsrahmen für das Konzept des Mieterstroms zu erlassen, der das Konzept so erfolgreich macht wie im selbstgenutzten Eigenheim.
Mieterstromangebote von Wohnungsanbietern dürften nicht bundesweit tätigen Energielieferanten gleichgestellt werden. Der regulatorische und prozessuale Aufwand für Netzanschlüsse, Einspeisevergütungen, Messstellenbetrieb und Marktkommunikationsprozesse müsse radikal vereinfacht werden.
Welchen Rahmen schlagen die Verbände für Mieterstrom vor?
Mieter und Wohnungseigentümer, die zusammen in einem Mehrfamilienhaus leben, müssten individuellen Eigenversorgern gesetzlich gleichgestellt werden, und zwar auch dann, wenn die Anlage von einem Dritten betrieben wird.
- Der gebäudenah erzeugte Strom aus erneuerbaren Energien wird im Rahmen der Betriebskostenabrechnung durch den Gebäudeeigentümer oder einen durch ihn beauftragten Dritten als Mieterstrom, Hausstrom und Strom für Wärmepumpen abgerechnet.
- Für den aus der lokalen Anlage gelieferten Strom wird ein angemessener Preis gebildet, der die Refinanzierung der regenerativen Anlage, deren Betrieb und die Verteilkosten abdeckt.
- Immobilieneigentümer verpflichten sich zur vollen Transparenz der Preisbildung.
- Energienetzseitige Aufschläge und Umlagen werden innerhalb des Quartiers nicht erhoben.
- Die notwendigen Messdaten für den Energienetzbetrieb werden bereitgestellt.
- Der mit dem Jahressteuergesetz 2022 vorgesehene umsatzsteuerliche Nullsteuersatz für die Lieferung und Installation von Photovoltaikanlagen muss vollumfänglich auch für die Wohnungswirtschaft zur Anwendung kommen.
Die gewerbesteuerliche Infizierung der Mieterträge durch lokale Stromerzeugung muss vollumfänglich beseitigt werden. Die bestehende gewerbesteuerliche 10-Prozent-Grenze sei eine Investitionsbremse für den Klimaschutz. Zur Erreichung dieser Rahmenbedingungen seien folgende zentrale Rechtsgrundlagen zu schaffen:
- Eine Stromkostenverordnung, die die Verteilung der Kosten der lokalen Stromerzeugung im Rahmen der Betriebskosten regelt.
- Kein oder ein vermindertes Netzentgelt bei Durchleitung von lokalem Strom innerhalb des Quartiers.
- Novellierung des Gewerbesteuergesetzes mit Streichung der 10-Prozent-Grenze.
Die Forderungen und Argumente sind nicht neu
Das Schreiben an die Ministerin ist ein Deja-vu. Zwar bekleidete Klara Geywitz damals noch nicht das jetzige Amt und ein eigenständiges Bundesbauministerium gab es auch nicht. Aber bereits im Juli 2020 forderten elf Verbände von der damaligen Bundesregierung eine Entbürokratisierung der dezentralen Stromerzeugung auf Hausdächern und in Wohnquartieren. Der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft (GdW), Haus & Grund, Deutscher Mieterbund, Verbraucherzentralen und andere waren sich vor zweieinhalb Jahren in ihrer Kritik einig: Unzumutbare Hürden für die Anwender des Mieterstrommodells und ein unnötiger Bürokratieaufwand bewirkten, dass nur etwa ein Prozent des gesetzlich möglichen Mieterstrompotenzials in der Praxis umgesetzt worden sei.
Die Verbände forderten die Bundesregierung daher in einem gemeinsamen Papier auf, das „wirkungslose“ Mieterstromgesetz grundlegend zu überarbeiten. Damals war die letzte Reform des Mieterstromgesetzes drei Jahre alt. GdW-Präsident Axel Gedaschko erklärte: „Kostengünstigen Solarstrom beziehen, der vor Ort umweltschonend im eigenen Wohnviertel erzeugt wird, das bleibt für Bewohner von Mehrfamilienhäusern auch drei Jahre nach Verabschiedung des Mieterstromgesetzes der absolute Ausnahmefall. Das Modell ist zu bürokratisch und rechnet sich nicht.“
Woran hapert es?
Das Mieterstromgesetz vom Juli 2017 hat diverse Hemmnisse nicht beseitigt. Das gegenwärtige Konstrukt ist nicht kostendeckend. Die Projekte sind häufig zu kleinteilig, erfordern dennoch viel Aufwand bei der Realisierung. Nach wie vor sind die staatlichen Umlagen ein Problem. Weggefallen ist seither allein die EEG-Umlage. Die bestehende finanzielle Förderung kann das nicht ausgleichen. Es gibt keinen wirklichen Preisanreiz. Und der Verwaltungsaufwand in Richtung des Stromnetzbetreibers und zur Anmeldung der Anlagen ist im Verhältnis zu ihrer Größe sehr hoch. Diese Mischung an Restriktionen – wirtschaftlich schwer darstellbar, wenig attraktive Preise und die hohe administrative Komplexität – verhindern den Durchbruch für dezentrale Solarstromanlagen zur Energieversorgung von Mietern.
Hintergrund: Mieterstromgesetz und EEG
Was das Gesetz von 2017 eigentlich bewirken sollte
Beim Photovoltaik-Mieterstrom handelt es sich um Strom, der auf einem oder mehreren Gebäuden durch Solarenergie erzeugt und im Wege der Direktvermarktung an die Bewohner geliefert wird. Da dieser Strom ohne Nutzung eines allgemeinen Versorgungsnetzes zu den Kunden gelangt, enthält der Preis keine staatlichen Abgaben wie Netznutzungsentgelte, Konzessionsabgaben, KWK-Umlage oder Stromsteuer. Auch ein Höchstpreis für PV-Mieterstrom wurde vom Gesetzgeber festgelegt. Er muss mindestens 10 Prozent unter dem am jeweiligen Ort geltenden Grundversorgungstarif liegen.
Stromverkauf „infiziert“ Mieteinnahmen mit Gewerbesteuer
Eine entscheidende steuerliche Hürde für die dezentrale Stromproduktion konnte jedoch mit dem Mieterstromgesetz nicht beseitigt werden. Wohnungsunternehmen, die Strom aus erneuerbaren Energien oder aus der Kraft-Wärme-Kopplung gewinnen, verlieren die Gewerbesteuerbefreiung in der Vermietungstätigkeit. Beim Verkauf von Strom an die Mieter fällt Gewerbesteuer an. Diese Steuer würde die Erlöse aus der Vermietung „infizieren“.
Thomas Engelbrecht