Wie die Wohnungswirtschaft hilft, wenn es finanziell eng wird
Eine Umfrage der IVV bei Wohnungsbaugesellschaften und Verbänden ergab, dass bislang keine nennenswerten Veränderungen zu den Vorjahren festzustellen sind. Allerdings gehen viele Unternehmen davon aus, dass sich mittelfristig die Lage verschärfen kann, wenn die Energiekosten auf dem hohen Level bleiben. Die Vermieter sind sensibilisiert: Durchgängig herrscht die Meinung, wer die Corona-Pandemie finanziell gerade überstanden habe, sollte nicht während der Energiekrise eine Zwangsräumung befürchten müssen. Auf die Mieter zugehen und gemeinsam eine Lösung finden, ist einhellig das Ziel.
„Wir nehmen sofort Kontakt zu unseren Mieterinnen und Mietern auf, wenn Mietzahlungen ausbleiben“, erklärt Anja Kühne, Sozialberaterin der WIS Wohnungsbaugesellschaft im Spreewald mbH. Optimal sei es jedoch, wenn die Betroffenen sich von selbst beim Vermieter melden, und zwar noch bevor Mietschulden entstünden. „Wir geben gerne Informationen zu staatlichen Hilfen zur Existenzsicherung. Viele Menschen wissen gar nicht, dass sie Unterstützung beantragen können“, sagt die Sozialberaterin. Sie erklärt im Gespräch Einzelheiten zur Grundsicherung, zum Wohngeld oder zum Kinderzuschlag. In manchen Fällen könnten auch Ratenzahlungen einen Engpass überbrücken. „Wir gehen auf unsere Mieterinnen und Mieter zu, da es unser Interesse ist, dass sie in ihren Wohnungen bleiben können, vermitteln Beratungsstellen und helfen beim Ausfüllen von Anträgen“, so Anja Kühne. „Niemand muss sich schämen, wir lassen niemanden im Regen stehen“. So wie die Wohnungsbaugesellschaft Lübbenau über persönliche Ansprache Betroffenen hilft, verfahren die meisten Wohnungsbauunternehmen. Kommunikation ist das A und O, lautet die Devise.
Zentraler Immobilien Ausschuss mit Ethikkodex
Auf Kommunikation auf Augenhöhe mit den Mietern setzen auch die Mitgliedsunternehmen des Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA). Im ZIA-Ethikkodex (Ethikkodex Deutsche Wohnungswirtschaft) heißt es u.a.: Wir als Wohnungswirtschaft „haben ein Härtefallmanagement, um eine zwischen Mietern in Not und Vermietern einvernehmliche Lösung zu finden, wie Mietschulden beglichen werden können“. Zur Umsetzung der Strom- und Gaspreisbremse zur Senkung der Energiekosten erfolge eine ständige Kommunikation mit den Mieterinnen und Mietern, heißt es weiter beim ZIA. So werden unter anderem Informationskampagnen zum Wohngeldplusgesetz ausgerichtet, mit Tipps zum Energiesparen. Mieterinnen und Mieter bekommen mit der Novellierung der Heizkostenverordnung in vielen Fällen monatliche Informationen zu ihren Verbräuchen.
Interview: Massiver Anstieg der Mietschuldenquote zur Zeit kein Thema
Zur aktuellen Lage mit Blick auf die extreme Verteuerung von Energie äußerte sich der Direktor des Verbands Norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), Andreas Breitner, in einem Interview mit der IVV.
Wie hoch hat sich die Mietschuldenquote in den letzten Monaten entwickelt?
Andreas Breitner: Leider lassen sich in der Kürze der Zeit zur aktuellen Entwicklung der Mietschuldenquote keine verlässlichen Angaben machen. Aus Gesprächen mit Vorständen und Geschäftsführern von VNW-Mitgliedsunternehmen weiß ich aber, dass das derzeit kein großes Thema ist. Die am Gemeinwohl orientieren Unternehmen haben ihren Mieterinnen und Mieter versprochen, dass niemand seine Wohnung verlieren wird, wenn sie oder er seine Heizkostenrechnung nicht begleichen wird. Dazu stehen unsere Unternehmen ohne Wenn und Aber, auch, weil – zumindest in Hamburg und Schleswig-Holstein – die Landesregierungen erklärt haben, sie würden Wohnungsunternehmen finanziell unterstützen, sollten diese wegen ausbleibender Heizkostenzahlungen in finanzielle Schwierigkeiten geraden. Angesichts der von der Bundesregierung beschlossenen Energiepreisbremsen habe ich die Hoffnung, dass viele Haushalte finanziell halbwegs gut über diesen Winter kommen werden. Aber man darf natürlich nicht die Inflation vergessen. Insofern ist es richtig gewesen, dass die Bundesregierung den Empfängerkreis für das Wohngeld deutlich ausgeweitet und dieses erheblich erhöht hat. All diese Maßnahmen werden dazu führen, dass ein massiver Anstieg der Mietschuldenquote wohl nicht kommen wird.
Wie hoch ist die Zahl der Mieter, die sich frühzeitig wegen drohender Zahlungsprobleme melden?
Andreas Breitner: Mit einem massiven Anstieg der Mietschuldenquote rechne ich nicht. Allerdings haben die sozialen Vermieter schon während der Corona-Pandemie – und das gilt immer noch – dafür geworben, dass Mieterinnen und Mieter, die finanzielle Probleme haben, frühzeitig das Gespräch mit ihren Vermietern suchen sollten. Unsere Unternehmen haben sehr viel Erfahrung im Umgang mit Menschen, die nicht über viel Geld verfügen. Sie sprechen mit ihnen auf gleicher Augenhöhe und suchen gemeinsam nach einer Lösung des Problems. Dabei stehen immer der Mensch und sein Bedürfnis nach einem sicheren Zuhause im Mittelpunkt – und nicht die Frage der Rendite. Für Scham ist bei uns also kein Platz und spielt auch keine Rolle.
Haben die Unternehmen die Heizkostenvorauszahlungen angehoben und in welchem Umfang?
Andreas Breitner: Eine Reihe von VNW-Wohnungsunternehmen haben – zum Teil auf freiwilliger Basis – die Heizkostenvorauszahlung angehoben. Die Höhe der Anpassung ist unterschiedlich. Auf ‚freiwilliger Basis‘ bedeutet, dass die Mieterinnen und Mieter selbst entscheiden konnten, ob sie einen höheren Abschlag bezahlen wollen. Letztlich war die Erhöhung ein Akt der Vorsorge, da die finale Abrechnung der Heizkosten aus dem vergangenen Jahr erst im Verlaufe dieses Jahres erfolgt. Die Wohnungsunternehmen möchten vermeiden, dass Mieterinnen und Mieter dann mit hohen Nachzahlungen konfrontiert werden und finanziell unter Druck geraten. Allerdings sollte man bei der Bewertung der Vorauszahlungen den zeitlichen Ablauf berücksichtigen. Auf dem Höhepunkt der Verteuerung der Gaspreise im vergangenen Spätsommer hatte die Bundesregierung eine Gasumlage beschlossen, die die ohnehin gestiegenen Gaspreise zusätzlich verteuert hätte. Viele Gaslieferanten erhöhten daraufhin die Abschläge bzw. kündigten eine deutliche Preiserhöhung an. Da Wohnungsunternehmen bei diesen Abschlagszahlungen ‚in Vorleistung‘ gehen und dieses Geld im Normalfall erst viele Monate später mit der regulären Heizkostenabrechnung zurückerhalten, drohte einigen Unternehmen, das Geld auszugehen. Um die eigene Insolvenz bzw. finanzielle Unwuchten zu vermeiden, sahen sich daher einige Unternehmen gezwungen, ihrerseits die Vorauszahlungen anzupassen. Später hat die Bundesregierung die Gasumlage ‚gekippt‘ und mehrere Energiepreisdeckel beschlossen. Jetzt wieder die Erhöhung der Vorauszahlungen rückgängig zu machen, wäre ein unvertretbarer bürokratischer Aufwand gewesen. Die Beschlüsse der Bundesregierung und die deutliche Erhöhung des Wohngeldes dürften dazu führen, dass zumindest in diesem Winter, viele Menschen die gestiegenen Heizkosten tragen können. Zumal wir ja beobachten, dass viele Mieterinnen und Mieter inzwischen Energie sparen, wo sie es können.
Wie haben Mieter auf Ankündigungen zur vorsorglichen Anhebung der Pauschalen reagiert?
Andreas Breitner: Die im VNW organisierten Vermieter, darunter sind viele Wohnungsgenossenschaften, pflegen schon immer ein gutes Verhältnis zu ihren Mieterinnen und Mietern. Natürlich gibt es auch hier immer mal wieder ein Problem oder Missverständnisse. Aber bei der Lösung stehen immer die Menschen im Mittelpunkt und nicht die Unternehmensrendite am Ende des Jahres. Wer bei einem sozialen Vermieter wohnt, muss keine Angst vor Luxussanierung oder Eigenbedarfskündigung haben. Wohnen ist eben mehr als ein Dach über dem Kopf. Die meisten Mieterinnen und Mieter haben daher eine Erhöhung der Heizkostenvorauszahlung mitgetragen. Ihnen war ja auch klar, dass Energie auf Dauer teurer geworden ist und für die aktuelle Verteuerung nicht die Wohnungsunternehmen verantwortlich sind. Viele wollten nicht in eine horrende Nachzahlung ‚laufen‘. Jeder weiß zudem, dass zu viel gezahltes Geld zurückgezahlt wird, wenn die Heizkosten abgerechnet werden.
Text und Interview: Christina Hövener-Hetz
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