Landeseigenes Wohnungsunternehmen testet nachhaltige Baustoffe
Die beiden Objekte mit insgesamt 36 Mietwohnungen, davon 18 barrierefrei und 6 gefördert, fügen sich in eine bestehende Wohnsiedlung in Alt-Britz, Berlin-Neukölln ein. Die fünfgeschossigen Häuser sind in Grundriss und Kubatur identisch, werden jedoch mit unterschiedlichen Baustoffen errichtet, um langfristige Vergleiche zwischen der Ziegel-Lehm-Bauweise und der
Holz-Lehm-Bauweise zu ermöglichen.
Im Einklang mit dem Berliner Energie- und Klimaschutzprogramm 2030
Intelligente Haustechnikplanung und nachhaltige Materialien wie Holz und Lehm seien ideal für ein gutes Raumklima in Gebäuden. Daraus entstehe ein Win-Win für Umwelt sowie Verbraucherinnen und Verbraucher: Zum einen würden Ressourcen geschont, weil Bauelemente und Baustoffe wie Holz und Lehm gut wieder- oder weiterzuverwenden sind. Zum anderen könne man mit effizienter Klimatechnik auch Kosten sparen.
Während der Entwurfs- und Bauphase sowie der ersten Betriebsjahre werden beide Gebäude wissenschaftlich begleitet, um die ökologischen und ökonomischen Potenziale von nachhaltigen Baustoffen, einer robusten Lowtech-Bauweise und optimierten Grundrissen im Mietwohnungsbau aufzuzeigen.
Mineralische Ressourcen vermeiden, neue Baustoffe testen
Ziel des Reallabors ist unter anderem zu zeigen, wieviel CO₂ durch Materialien wie Holz, Lehm & Recyclingmaterial eingespart werden kann, während alle Anforderungen an Wärme-, Schall- und Brandschutz eingehalten werden. Nach der Fertigstellung wird ein Monitoring durchgeführt, das Aufenthaltsqualität, Energiebedarf und Umweltwirkungen untersucht. Die Ergebnisse werden mit konventionellen Bauweisen verglichen, um fundierte Erkenntnisse für den Geschosswohnungsbau zu gewinnen.
Im Bauwesen verursachen die aktuell eingesetzten Baustoffe über 50 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen, 52 Prozent des Abfallaufkommens und 90 Prozent des Verbrauchs mineralischer Ressourcen. Ein Ansatz zur Reduzierung dieser Zahlen liegt in gezielten baulichen Maßnahmen. Mit dem Einsatz natürlicher Rohstoffe wie Holz, Ziegel und Lehm in der Gebäudehülle wollen wir die CO₂-Emissionen um mindestens 50 Prozent im Vergleich zu konventioneller Bauweise senken“, sagt Natascha Klimek, Geschäftsführerin STADT UND LAND.
Gefördert wird das Projekt von der Berliner Senatsverwaltung für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz sowie der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU). Es wird von der STADT UND LAND mit der ARGE ZRS Architekten und Bruno Fioretti Marquez umgesetzt und von der TU Braunschweig, der TU Berlin und der Universität Stuttgart wissenschaftlich begleitet und ausgewertet.
Quelle: STADT UND LAND Wohnbauten-Gesellschaft mbH
Nachhaltig bauen ist längst möglich
SERIE Nachhaligkeit in den Printausgaben der IVV
Der Hochbau verantwortet weltweit 40 Prozent aller CO2-Emissionen und 50 Prozent des gesamten Müllaufkommens. Die Alternativen sind organische und standortnahe Baustoffe wie Holz oder Lehm, geschlossene Kreisläufe für mineralische, metallische oder kunststoffhaltige Materialien sowie neue Verfahren wie Leichtbau und hybride Bauweisen. Weil viele Bauherren und Architekten diese Verfahren aber noch nicht kennen bzw. ihnen nicht vertrauen, beleuchten wir sie in einer Serie, um ihnen möglichst rasch zum Durchbruch zu verhelfen.
Teil 1, aus 03/22: Nachhaltigkeit bei den Projekten der IBA’27: Geografin Stefanie Kerlein verantwortet im Stuttgarter IBA’27-Team Kreislaufwirtschaft und Teilhabe. Kerlein sagt: „Wir haben kein Wissens-, sondern ein Umsetzungsdefizit.“
Teil 2, aus 04/22: Der Holzbau hat immer weniger Grenzen: Mittlerweile werden weltweit Gebäude bis 100 Meter Höhe mit 30 Etagen damit gebaut, weil sie auch Brandschutz und Statik berücksichtigen. Balken, Bretter und verleimtes Brettschichtholz binden zudem CO2 und können nach 100 Jahren oft nochmals wiederverwendet werden.
Teil 3, aus 05/22: Lehm ist als organischer Baustoff weltweit vielerorts verfügbar und dient vor allem in armen Ländern zum Bau von Hütten. Hierzulande machte die neue Alnatura-Zentrale in Darmstadt mit der europaweit größten Stampflehmfassade 2019 den „Arme-Leute-Baustoff“ populär. Lehm reguliert sehr gut Hitze, Kälte und dämmt den Schall, weshalb ihn immer mehr Architekten entdecken.
Teil 4: Hanf, Bambus, Stroh, Schilfrohr, Weide, Rattan oder Rinde sind teils binnen eines Jahres erntereif und binden CO2. In armen Ländern wird schon immer damit gebaut. In Frankreich sind so mittlerweile 6000 Gebäude entstanden, bundesweit immerhin 450. Laut Fachverband Strohballenbau verteuert Strohdämmung ein Gebäude um zwei bis acht Prozent, spart aber immense Heizkosten.
Teil 5: Leichtbauweise kann den Materialverbrauch massiv senken. An der Uni Stuttgart nehmen sich Architekturforscher Kakteen zum Vorbild, deren innere, netzartige Holzfaserkonstruktion die Pflanzen stabil und belastbar macht. Werner Sobek steht für solche bionischen Verfahren bei Beton. Auch Hybrid-Bauweisen, z.B. Holz-Beton, sparen tonnenweise Material.
Teil 6: R-Beton, recycelter Bauschutt, steht stellvertretend für geschlossene Kreisläufe im Hochbau, bei denen Materialien immer wieder zum Einsatz kommen, wenn nach 50 oder 100 Jahren deren Lebenszyklus in einem Gebäude endet. Dazu zählt auch der aufkommende Handel mit gebrauchten Materialien, Stichwort Madaster, auf Online-Plattformen.
Teil 7: Dämmen mit Biomasse, Lederresten oder zu Popcorn erhitztem Mais sind ein weiteres Thema, das wir in dieser Serie darstellen können. Weil derzeit aber dermaßen viele neue Verfahren serienreif werden, sich gesetzliche Rahmenbedingungen ändern und wir eventuell Anregungen für diese Serie bekommen, wollen wir den weiteren Teil vorerst offenlassen.
Martina Eisinger

